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Europäische Filme und Serien EU-Kommission verlangt Quote für Netflix und Amazon

Mindestens 20 Prozent europäische Filme und Serien - diese Quote plant die EU-Kommission für Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime. Brüssel hofft auf eine "identitätsstiftende Maßnahme".
Französische Netflix-Serie "Marseille"

Französische Netflix-Serie "Marseille"

Foto: Netflix

Die EU-Kommission will Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime dazu verpflichten, mindestens 20 Prozent europäische Produktionen in ihrem Angebot bereitzustellen. Außerdem sollen einzelne EU-Länder diese Streamingdienste dazu verpflichten können, sich finanziell an der Produktion von europäischen Filmen und Serien zu beteiligen, schlug die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vor. "Wir halten 20 Prozent für sehr maßvoll", sagte Digitalwirtschaftskommissar Günther Oettinger zu den Vorschlägen.

Die Anforderungen an die Streamingdienste, die die EU-Kommission mit diesem Vorstoß formuliert, sind tatsächlich weniger weitreichend, als es zunächst erscheint. So umfasst Netflix' Katalog in der EU laut einer Studie des European Audiovisual Observatory bereits jetzt über 20 Prozent europäische Filme. Bei Apples iTunes-Dienst liege die Quote bei 21 Prozent, bei weiteren 75 Video-on-Demand-Diensten im Schnitt sogar bei 27 Prozent, sagte Andrus Ansip, EU-Kommissar für den digitalen Binnenmarkt.

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Foto: Netflix

Nationale Quoten für europäische Inhalte auf dem Fernsehmarkt sind in der EU weit verbreitet: Nach Angaben der Kommission gelten sie in der Hälfte der 28 Mitgliedstaaten. Die Spanne reicht von zehn Prozent in Tschechien über 30 Prozent in Spanien bis hin zu 60 Prozent in Frankreich. Die 20-Prozent-Quote soll laut Oettinger "eine Harmonisierung herbeiführen", ist allerdings nur eine Untergrenze. Die Länder mit höheren Quoten können diese beibehalten. In Deutschland gibt es keine solche Quote.

"Wir wollen, dass nicht nur BBC, RAI oder RTL diese Quoten erfüllen, sondern auch die neuen Anbieter", sagte Oettinger. Das sei nicht nur eine "indirekte Art der Filmförderung", sondern auch eine "identitätsstiftende Maßnahme".

Tatsächlich ist es schon länger Teil der Expansionsstrategie sowohl von Netflix als auch von Amazon, verstärkt in europäische Inhalte zu investieren, da sie sich so neue Abonnenten in den Mitgliedstaaten erschließen wollen. Bislang hat Netflix acht europäische Serien in Auftrag gegeben: Vier britische Produktionen sind dabei sowie jeweils eine Serie aus Deutschland, Spanien und Italien. Die französische Politthriller-Serie "Marseille" ist seit dem 5. Mai weltweit verfügbar. Für Amazon Prime entwickelt Matthias Schweighöfer zurzeit eine eigene Serie.

Die Kritik an der Initiative ist denn auch verhalten. "Weltweit lieben unsere Abonnenten europäische Produktionen", heißt es in einem aktuellen Statement von Netflix. "Deshalb verstärken wir unsere Investitionen in europäische Produktionen inklusive der Netflix-Exklusiv-Inhalte, die wir in Europa schaffen. Wir schätzen das Ziel der EU-Kommission, europäische Inhalte zu fördern, die vorgeschlagenen Mittel werden dieses Ziel aber verfehlen." Worauf diese Einschätzung basiert, führte Netflix nicht aus.

Vorschriften, nach denen nationale Streamingdienste eine Quote für europäische Investitionen erfüllen müssen, bestehen laut Branchendienst "Variety" bereits in vier EU-Ländern, nämlich Frankreich, Spanien, Kroatien und den französischsprachigen Regionen Belgiens. Mit der Kommissionsinitiative würden also in diesen Regionen gleiche Wettbewerbsbedingungen für nationale und internationale Inhalteanbieter geschaffen.

Oettinger kritisiert deutsche Rundfunkgremien

Regelungen, nach denen sich TV-Sender an der nationalen Filmförderung beteiligen müssen, sind in der EU ebenfalls verbreitet. So greift in Deutschland seit 2004 die sogenannte Filmabgabe, nach der sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender einen Teil ihrer Kosten für die Ausstrahlung von Kinofilmen an die Filmförderung zahlen müssen.

Außerdem will die EU-Kommission im Fernsehen mehr Werbung über das sogenannte Productplacement und gesponserte Inhalte erlauben. Mehr Raum für klassische Werbeblocks ist nicht vorgesehen. Die Überwachungsbehörden für die audiovisuellen Medien, zu denen die EU-Kommission jetzt ausdrücklich auch die Online-Anbieter zählt, soll völlig unabhängig von Regierungen oder Industrie sein.

Neben diesen Neuerungen für den audiovisuellen Sektor, mit denen die EU-Kommission eine bestehende Richtlinie aus dem Jahr 2010 überarbeitet hat, will die EU-Behörde auch Neuerungen im europäischen Internethandel einführen. Vor gut einem Jahr hatte sie ihre "Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa" präsentiert. Jetzt ist die EU-Kommission dabei, die Strategie nach und nach mit einzelnen Gesetzesvorschlägen zu konkretisieren. Den Maßnahmen, die die Kommission am Mittwoch vorstellte, müssen noch das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten zustimmen.

Von Letzteren erwartet Kommissar Oettinger Widerstand. Die geplante Stärkung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden werde dort "am ehesten für Diskussionen sorgen" - und zwar auch in Deutschland. Denn dort entspreche "die Unabhängigkeit der Rundfunkgremien auch noch nicht unseren Erwartungen", so Oettinger.

Sollten die Vorschläge der Kommission zum digitalen Binnenmarkt vom EU-Ministerrat und dem Europaparlament abgesegnet werden, "wäre mehr Unabhängigkeit die mögliche Folge".

Hier eine Übersicht der Netflix- und Amazon-Erfolge:

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mit Material von dpa, AFP und Reuters