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Aufstieg in die zweite Liga Würzburger Wunderknaben

Die Würzburger Kickers haben in der Relegation gegen Duisburg souverän den Durchmarsch in die zweite Liga geschafft. Bis vor Kurzem war der Erfolg kaum vorstellbar.
Jubelnde Spieler der Würzburger Kickers

Jubelnde Spieler der Würzburger Kickers

Foto: Roland Weihrauch/ dpa

Es waren lustige Szenen in den Gängen des Duisburger Wedaustadions. Die Fußballer der Würzburger Kickers hatten einen sensationellen Aufstieg in die Zweite Bundesliga zu feiern, und sie wollten so gerne die Rituale ihrer großen Vorbilder zelebrieren. Doch niemand reichte ihnen monströse Bierhumpen, und eine Konfettikanone wurde auch nicht gezündet. Also begnügten sie sich mit kleinen Plastikbechern voller Bier und demonstrierten recht eindrucksvoll, dass man auch mit einer provisorischen Lösung eine hübsche Sauerei veranstalten kann.

Der Aufstieg des Provinzklubs sei einfach nur geil, stammelte Würzburgs Verteidiger Richard Weil, und schwärmte von einer "überragenden Mannschaft", in die er da hineingeraten sei. Auf dem Boden unter seinen Füßen schimmerten gelbliche Pfützen, eine scharfe Dunstwolke aus Männerschweiß und Alkohol umgab den Fußballer. Von seinem T-Shirt leuchtete das schlichte Aufstiegsmotto "Einfach machen!", und Trainer Bernd Hollerbach fränkelte: "Des is ein spezieller Dag für unseren Glub."

Hollerbach reüssiert bei seinem Heimatverein

Der ehemalige HSV-Profi und langjährige Assistent von Felix Magath ist weit gereist in der Fußballwelt, geboren wurde er allerdings in Würzburg. Nun agiert er dort in der Rolle des Multifunktionärs als Trainer, Manager und Chefscout. "Das hier ist schon speziell, weil es der Verein ist, in dem ich in der Jugend gespielt habe. Ich weiß nicht, ob es sowas schon mal gab", sagte er. Es ist ein kleines Fußballmärchen.

Denn vor fünf Jahren spielten die Würzburger noch vor durchschnittlich 300 Zuschauern in der Regionalliga, schon der Aufstieg in Liga drei im vorigen Sommer war eine kleine Sensation. Nun sind die Kickers das zweite Team nach RB Leipzig, das im Jahr nach einem Drittligaaufstieg direkt in die Zweite Liga klettern konnte. Dabei stand der Klub am 21. Spieltag noch auf dem elften Tabellenplatz, nur fünf Punkte vor den Abstiegsrängen. Die Relegation lag bei neun Punkten Rückstand in weiter Ferne. "Unglaublich, mit was für Mitteln wir gearbeitet haben, wie wir alle zusammen gehalten haben, unglaublich", sagte Hollerbach in Anspielung auf den Etat, der mit gut drei llionen Euro zu den kleinsten der Liga zählte.

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Niederlage in der Relegation: Hollerbach schießt Zebras ab

Foto: Sascha Steinbach/ Bongarts/Getty Images

Anfang Mai hatte der erst 35-jährige Vorstandsvorsitzende Daniel Sauer, der bis vor ein paar Jahren für Balingen in der Handball-Bundesliga gespielt hat, noch erklärt: "Der Aufstieg käme definitiv zu früh. Zwischen zweiter und dritter Liga ist es ein Quantensprung". Jetzt muss er diesen Sprung bewältigen. Das Stadion fasst nur 10.000 Zuschauer, eigentlich sind 15.000 vorgeschrieben, es muss eine Rasenheizung installiert werden, und die Mannschaft muss künftig mit Größen wie dem FC St. Pauli, dem 1. FC Nürnberg, Hannover 96 oder Fortuna Düsseldorf mithalten.

Tröstende Worte für die Verlierer

Wobei das Fundament für eine solche Weiterentwicklung vorhanden ist. Nach dem 2:0-Sieg im Hinspiel führte die Mannschaft in Duisburg einen kühl durchdachten Defensivfußball auf, nur ein Fehler unterlief dem Team, als Clemens Schoppenhauer eine eher harmlose Flanke mit dem Kopf ins eigene Tor lenkte (33. Minute). Doch selbst diesen Rückschlag verkrafteten sie mit einer beeindruckenden Reife, nur vier Minuten später traf Elia Soriano zum 1:1. Danach nervten die Kickers den MSV mit einer mutigen Verteidigungsstrategie und einem klug organisierten Pressing, so dass Rico Benatelli in der Nachspielzeit sogar noch den 2:1-Siegtreffer schießen konnte. "Es ist eine besondere Energie in dieser Mannschaft", sagte Hollerbach und staunte ein wenig über "dieses große Selbstvertrauen", das seine Spieler in den vergangenen Wochen entwickelt haben.

Seine ersten Worte nach der Sensation galten allerdings den Duisburgern, die ein seltsames Auf und Ab der Emotionen hinter sich haben. "Es tut mir unendlich leid", sagte Hollerbach geradezu entschuldigend, und MSV-Trainer Ilia Gruev erklärte: "Im Sport liegen schöne Tage und traurige Tage sehr nah beieinander." Den Duisburgern war ja nach Monaten auf einem direkten Abstiegsplatz eine furiose Aufholjagd gelungen, nun sind sie doch noch gestürzt. "Alleine das Erreichen des Relegationsplatzes ist etwas, das niemand von uns erwartet hat", sagte Gruev.

In den beiden Spielen gegen Würzburg war nach diesem Kraftakt nicht mehr die erforderliche Energie vorhanden. Die Kickers seien ein verdienter Aufsteiger, erklärte der Duisburger Trainer daher, und im Hintergrund brüllten die Männer in Würzburgs Kabine. Offenbar waren sie mehr mit dem Füllen ihrer kleinen Plastikbecher beschäftigt, als dass jemand Zeit für eine Dusche fand. Als die triefenden Helden dann irgendwann in den Bus stiegen, trugen sie immer noch ihre Sporthosen und ihre Stutzen. Manchmal sind eben andere Dinge wichtiger als Körperhygiene.