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Sebastian Fischer

Zukunft der Großen Koalition Bis dass die Wahl euch scheidet

Als Ausnahme war die Große Koalition mal gedacht. Doch mittlerweile droht sie auch in Deutschland zur Regel zu werden. Keine gute Perspektive - sofern nicht drei Bedingungen erfüllt sind.
Vize Gabriel, Kanzlerin Merkel

Vize Gabriel, Kanzlerin Merkel

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Es ist ja jetzt chic, über Große Koalitionen zu lästern. Insbesondere weil das rot-schwarze Bündnis in Österreich gerade Anschauungsmaterial für den klassischen Koalitionsmerksatz geliefert hat: Koalieren die Großen, dann stärkt das die Ränder - und die Großen werden immer kleiner.

Aber ist das so einfach? Ist eine Große Koalition manchmal nicht nur unausweichlich, sondern sogar sinnvoll? Beispiel Spanien: Dort wollen Sozialisten und Konservative partout kein solches Bündnis eingehen, im Juni muss noch mal neu gewählt werden. Eine klare Mehrheit wird es danach wohl aber auch nicht geben.

Und in Deutschland? Da regiert Schwarz-Rot unter Angela Merkel bereits in zweiter Auflage - gewissermaßen ohne Not, denn es hätte auch andere Mehrheiten gegeben. Es geht aber viel ruhiger zu als in der schwarz-gelben Streitkoalition zuvor, man arbeitet seinen Zettel ab, gibt in dieser Woche auf der Kabinettsklausur in Meseberg noch einmal ein bisschen Harmonie vor. Doch mit der AfD droht jetzt die österreichische Gefahr.

Also: Große Koalitionen sind nicht per se eine schlechte Idee. Manchmal sind sie sogar eine richtig gute. Dafür muss aber mindestens einer dieser Umstände gegeben sein:

  • Es handelt sich um eine besondere politische Herausforderung, etwa außenpolitische Grundsatzentscheidungen.
  • Arithmetisch geht jenseits von Koalitionen mit Parteien wie AfD oder FPÖ nichts.
  • Die beiden Großen haben noch nie koaliert.

Für alle drei Varianten muss zudem gelten: Große Koalitionen sind Projekte auf Zeit. Ein solches Bündnis sollte nicht antreten mit dem Ziel, wiedergewählt zu werden. Es sind Koalitionen für den Not-, nicht für den Regelfall.

Als sich Union und SPD im Jahr 1966 das erste Mal zusammenfanden, da trafen gleich zwei der drei Umstände zu: Besondere politische Herausforderungen (Auftakt zur neuen Deutschlandpolitik, Notstandsgesetze, neue Finanzverfassung) plus der Wunsch der SPD, erstmals ihre Regierungsfähigkeit in Bonn zu beweisen.

Schon am Anfang der Koalition stellte CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger klar, dass das Bündnis nur eine Übergangslösung sein sollte, eigentlich war sogar eine Reform des Wahlrechts angedacht: Mit der Einführung des Mehrheitswahlrechts würden Große Koalitionen für die Zukunft ausgeschlossen werden. Doch letztlich machte die SPD nicht mit und koalierte ab 1969 lieber mit der FDP.

Schloss Meseberg

Schloss Meseberg

Foto: Stephanie Pilick/ dpa

Angela Merkel dagegen hat in der GroKo ganz offensichtlich ihr bevorzugtes Koalitionsmodell gefunden. Anders als ihr Vorgänger Kiesinger ist sie dabei nicht der "wandelnde Vermittlungsausschuss" zwischen den Partnern, sondern eine starke Kanzlerin, die die Sozialdemokraten über die Jahre zum Juniorpartner herunterregiert und deren Themen aufgesogen hat.

Warum also sollte sie daran etwas ändern?

Weil das Bündnis der (einst) Großen auf Dauer nicht nur einen oder beide Partner, sondern auch das demokratische System auslaugt. Die Regierung ist in einem solchen Modell zu stark, die Opposition zu schwach. Es fehlt die klare Alternative, die Polarisierung, auch der Kampf der Lager. Genau das ist das Vakuum, in das die AfD vorzustoßen sucht. Die Rechtspopulisten polarisieren dumpf. Die daraus entstehende politische Energie ist zu nichts nutze, nicht integrierbar. Antimodern, antiwestlich. Es ist wie Heizen bei offenem Fenster.

Dagegen könnte eine klare Ansage von Union und SPD helfen: Wir bringen unsere Koalition ordentlich zu Ende, aber nach der Bundestagswahl gehen wir getrennte Wege (Ausnahme: die drei genannten Umstände). Die Wahl zum Bundespräsidenten bietet sich zudem an, um ein Signal in diese Richtung zu setzen: Sollte Joachim Gauck nicht antreten, könnten Union und SPD mit jeweils eigenen Kandidaten antreten. Das nennt man Führungsanspruch, Kampf um ein Lager.

Und dann? Etwas Neues wagen, ein Experiment. So wie die Große Koalition 1966. So wie das sozialliberale Bündnis 1969. Oder wie Rot-Grün 1998. Nimmt man die gegenwärtigen Umfragen zur Grundlage, hätte entweder die Große Koalition oder ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP die Mehrheit. Das Letztere, das neobürgerliche Bündnis wäre die bessere Wahl.

Für die SPD, das ist klar, würde es nicht gerade rosig in der Opposition. Auf der einen Seite die Linken, auf der anderen die AfD. Aber sie hätte doch die Chance, sich als Oppositionsführerin wieder eine Mitte-links-Machtperspektive zu erarbeiten. Wäre das nicht besser als vier weitere Jahre GroKo? Und besser auch als eine zersplitterte Opposition aus AfD, Linken, Grünen und FDP?

In Meseberg jedenfalls könnten die Kanzlerin und der SPD-Chef ja wenigstens einmal im Stile Kiesingers erwähnen, dass ihr Bündnis endlich ist.

Und es auch sein soll.