Zum Inhalt springen
SPIEGEL ONLINE

Donald Trump und Wladimir Putin Liebesgrüße aus Moskau

Beide lieben die Macho-Pose und poltern gegen Hillary Clinton: Donald Trump und Wladimir Putin sind voll des Lobes füreinander. In Moskau gilt der US-Milliardär schon als "Kandidat des Kreml".

Donald Trumps Hand fährt über Wladimir Putins Nacken, sein Mund drückt sich auf die Lippen des russischen Präsidenten, so stellt es ein Graffiti in Litauens Hauptstadt Vilnius dar. "Make Everything Great Again", steht daneben.

Es ist ein spöttischer Kommentar zum merkwürdigen Flirt zwischen dem US-Präsidentschaftsbewerber und dem Kreml-Chef. Beide tauschen seit Wochen Liebenswürdigkeiten aus. Trump preist Putin als starken Anführer, Putin lobt Trump als brillant und talentiert. In Osteuropa schürt so viel Innigkeit auch Ängste, beispielsweise im kleinen und fünf Jahrzehnte von der Sowjetunion besetzten Litauen.

Bestärkt fühlen sich die Osteuropäer durch Trumps Aussagen. Sollte er Präsident werden, will er Amerikas Engagement in der Nato zurückfahren. Die Ukraine? Gehe die USA "weniger an als andere Nato-Länder. Warum müssen wir das immer machen?" Die Konfrontation mit Russland? Soll unter einem Präsidenten Trump beendet werden: "Wir müssen eine freundschaftliche Ebene finden!" Das Vorgehen in Syrien? Trump sagt, er stehe "zu 100 Prozent hinter Putin".

Putin und Trump gemein ist das Faible für Auftritte in Macho-Pose, beide nehmen wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer. "Putin mag offene Leute, die Tacheles reden und politische Korrektheit außer Acht lassen", sagt der Moskauer Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow, der auch Herausgeber des Fachmagazins "Russia in Global Affairs" ist.

Verhasste Hillary Clinton

Trump und der Kreml haben auch einen gemeinsamen Gegner: Hillary Clinton. "Trump flirtet mit Putin, um Clinton unter Druck zu setzen", sagt Josef Braml, Amerika-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Der US-Milliardär folge keiner klaren außenpolitischen Doktrin, sondern sei vor allem getrieben durch den Wahlkampf.

Die ehemalige Außenministerin und First Lady ist für Moskau die Verkörperung von Amerikas russlandkritischer Elite. Donald Trump wiederum hat seinen gesamten Wahlkampf ausgebaut zu einer Anti-Establishment-Kampagne. Als Präsident würde er darauf setzen, mit Russland und anderen autoritären Regimen einen Deal zu schließen, so Braml. "Trump will außenpolitische Stabilität, um in Ruhe seine revolutionäre innenpolitische Agenda umzusetzen."

Tatsächlich ist Clinton in Russland noch unbeliebter als der scheidende Präsident Barack Obama. Der Kreml hat nicht vergessen, dass Clinton Putin bereits 2012 vorgeworfen hatte, die Sowjetunion wiedererrichten zu wollen. Nach der völkerrechtswidrigen und von Moskau mit Soldaten durchgesetzten Krim-Annexion 2014 zog sie Parallelen zwischen Putins Vorgehen und Hitler. Zuletzt erklärte Clinton, die Vereinigten Staaten müssten in Syrien und der Ukraine "die Kosten für Putin in die Höhe treiben". Das war ein Aufruf, der Regierung in Kiew und den Rebellen in Syrien mehr Waffen zu liefern.

Trump argumentiert im Wahlkampf, Putin nehme Demokraten wie Obama und Clinton nicht ernst. Moskau liefert dafür reichlich Munition. Nach Clintons Vergleich zwischen Putin und Hitler konterte der Kreml-Chef, die ehemalige Außenministerin sei schwach. Dann setzte er - ganz Macho - hinzu, Schwäche sei nicht die schlechteste Eigenschaft. Jedenfalls für eine Frau.

Berater mit Gazprom-Verbindungen

"Trump: Der Kandidat des Kreml" hat die konservative Washingtoner Zeitschrift "National Review" deshalb neulich getitelt. Mit seinen Russland-Kurs setzt sich Trump nicht nur von Clinton ab, sondern auch vom Gros der Republikaner. Deutlich wird das im Vergleich zu den letzten republikanischen Präsidentschaftskandidaten: Für Mitt Romney war Russland schon Amerikas "wichtigster geopolitischer Rivale". John McCain, 2008 unterlegen, behauptete zuletzt, Putin benutze "die Flüchtlingskrise als eine Waffe", um den Westen zu schwächen.

Trump hält nicht viel von McCain. Er ätzt: Der Vietnamveteran sei gar kein richtiger Kriegsheld, er sei schließlich gefangen genommen worden. McCain war als Navy-Pilot abgeschossen worden und geriet fünf Jahre in Kriegsgefangenschaft. In Russland ist McCain als "russophob" verhasst, solche Beleidigungen kommen gut an.

Ebenso wie Trumps Personalauswahl. Zu seinem Stab gehört Carter Page, ein Finanzfachmann, der früher Geschäfte im Umfeld des russischen Gazprom-Konzerns gemacht hat. Nach der Maidan-Revolution 2014 warb Page für Verständnis für Russlands Vorgehen auf der Krim und in der Ostukraine. Für Page ist die Ukraine eine Art abtrünnige Provinz des großen Nachbarlandes. Page glaubt, dass in Wahrheit US-Diplomaten die entscheidende Rolle beim Aufstand in Kiew gespielt hätten. Als Beweis führt er ein Video an, auf dem US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland Kekse an Demonstranten in Kiew verteilt, und ein abgehörtes Telefongespräch, in dem Nuland die Europäer beschimpft - Stichwort "Fuck the EU".

So verwundert es nicht, dass ein Ableger der Staatszeitung "Rossijskaja Gaseta" jüngst verkündete: Wenn der Kreml eine Stimme bei den US-Vorwahlen hätte, er "würde wahrscheinlich Donald Trump unterstützen".

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, Litauen sei "seit fünf Jahrzehnten" von der Sowjetunion besetzt - das ist nicht korrekt. Tatsächlich war Litauen fünf Jahrzehnte von der Sowjetunion besetzt und erlangte 1990 seine Unabhängigkeit. Wir bitten, den durch Redigatur entstandenen Fehler zu entschuldigen.