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Pendeln mit dem Pedelec Ich mach mich aggro

Christoph Stockburger hat sein Pedelec schätzen gelernt und radelt gerne zur Arbeit. Aber auf dem Sattel wird er zu einem schlechteren Menschen.
Das Pedelec an der Steckdose

Das Pedelec an der Steckdose

Foto: SPIEGEL ONLINE

Worum geht's?

Ich wohne rund 17 Kilometer von meinem Arbeitsplatz entfernt. Zu weit, um mit dem Rad zu fahren - das war meine bisherige faule Ausrede. Deshalb teste ich ein Elektrofahrrad: Macht es mich zum Pedelec-Pendler? Ein Selbstversuch in vier Teilen.

Was bisher geschah

Ich bin ein paar Mal zwischen meinem Zuhause und meinem Arbeitsplatz mit dem Elektrofahrrad gependelt. Es ist einfacher und besser, als ich dachte. Der Kraftaufwand beim Treten ist spürbar geringer. Morgens euphorisiert die Bewegung, abends hilft sie beim Abschalten. Ich habe meinen inneren Eddy Merckx entdeckt. Es ist ein Elektro-Eddy, aber das ist okay.

Beim regelmäßigen Pendeln zählen aber noch viel mehr Faktoren als nur das Rad. Vier Beispiele:

1. Der Weg

Meine Strecke ist alles andere als idyllisch und führt größtenteils an stark befahrenen Straßen entlang. Dafür bin ich fast durchgehend auf Fahrradwegen unterwegs. Wobei ein Fahrradweg nicht gleich den Weg ins Glück bedeutet. Ein Fahrradweg ist halb Pfad der Tugend, halb "Fight Club". Natürlich fühlt man sich den Autofahrern überlegen, die bräsig in ihren Spritfressern den Stau absitzen. Aber keine Fahrt auf dem Rad ohne Momente des Zorns.

2. Ich und die anderen Egoisten

Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, Fahrradfahren sei entspannend. Ist es nicht, jedenfalls nicht in der Stadt. An schlechten Tagen möchte man am liebsten absteigen und mit einer Luftpumpe fremde Menschen verprügeln: den Fußgänger, der aufs Handy glotzend auf den Radweg rennt; den Radler, der einem den Weg abschneidet; die ungezählten Autofahrer, die einen fast plattmachen.

Das Problem: Fahrradfahren bringt auch bei mir selbst Seiten zum Vorschein, die mir peinlich sind. Bei Rot über die Ampel, Überholen von anderen Radfahrern mit Millimeterabstand - um nicht aus dem Tritt zu kommen, benehme ich mich oft dreist. Als Radfahrer lege ich die Straßenverkehrsordnung jedenfalls flexibler aus als Autofahrer. Und ich pöble und gestikuliere mehr.

Vielleicht liegt es daran, dass man sich auf dem Rad schutzloser fühlt als im Pkw und öfter provoziert wird; vor allem liegt es aber daran, dass man den feinen Unterschied zwischen Kavaliersdelikt und Rücksichtslosigkeit selbstgerechter auslegt. Mein Fußgänger-Ich und mein Autofahrer-Ich würden meinem Radfahrer-Ich bestimmt auch gerne mal eins mit der Luftpumpe verpassen.

3. Die Helm-Frage

Nur unter den Arm geklemmt sieht ein Fahrradhelm pittoresk aus

Nur unter den Arm geklemmt sieht ein Fahrradhelm pittoresk aus

Foto: SPIEGEL ONLINE

Für Fahrradhelme gelten zwei unumstößliche Fakten:

1. Mit Helm ist man besser vor Kopfverletzungen geschützt als ohne.

2. Völlig ausgeschlossen, mit Helm würdevoll auszusehen.

Ich habe zweites zugunsten ersterem akzeptiert. Bei mir gibt es allerdings auch keine Frisur zu ruinieren. Wer in der Helm-Frage unentschlossen ist, dem rate ich zum Handyhüllen-Test: Wenn man sein Smartphone mit einer Schale vor Stürzen schützt, sollte man diese Fürsorge auch seinem Kopf bieten.

4. Infrastruktur am Arbeitsplatz und zu Hause

Im SPIEGEL-Gebäude gibt es einen abgeschlossenen Fahrradkeller und Duschräume. Beides ist für meine Pendel-Ambitionen von großer Bedeutung.

Müsste ich mich ständig um die Sicherheit meines teuren Pedelecs sorgen, bekäme ich keine Zeile zustande. Sowohl in der Redaktion als auch zu Hause kann ich das Pedelec außerdem an einem diebstahlsicheren Ort an die Steckdose hängen, um den Akku zu laden. Bei meinem Test-Bike von Vanmoof lässt er sich nicht einfach so aus dem Rahmen nehmen, man braucht also immer Platz für das ganze Rad.

Und so vergleichsweise lässig die Fahrt mit einem Elektrorad auch sein mag - nach 17 Kilometern klebt das Hemd schon mal am Rücken. Frische Klamotten transportiere ich deshalb in einem Rucksack, und bevor ich ins Büro gehe, gehe ich unter die Dusche. Ich kann meine Kollegen gut riechen. Das gleiche sollen sie auch über mich sagen können.

Lesen Sie im letzten Teil: Ein Abschied und eine Neuentdeckung.

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