Zum Inhalt springen

Zum ersten Mal bei der Formel 1 Aufregend, absurd, abschreckend

Bernie Ecclestone lebt das Prinzip dicke Hose, der Mythos Ferrari wird künstlich am Leben gehalten und der Hockenheimring ringt um Aufmerksamkeit. Ein Erfahrungsbericht von einem besonderen Formel-1-Wochenende.
Formel 1 in Barcelona

Formel 1 in Barcelona

Foto: Clive Mason/ Getty Images

"Hombre." Mit einem süffisanten Lächeln und abwehrender Haltung begrüßt mich der Sicherheitsmann an der Zufahrt zum Pressezentrum. Eigentlich will er sagen: "Du kommst hier nicht rein." Als ich ihm zu verstehen gebe, dass ich doch nur meine Akkreditierung abholen möchte, zeigt er mir pflichtbewusst den Weg. Und scheint dabei zu denken: "Warum weiß der 'Hombre' das nicht? Ist doch jedes Jahr das Gleiche." Willkommen beim ersten Formel-1-Rennen meines Lebens.

Seit 1991 macht der Formel-1-Tross in Montmeló im Norden von Barcelona Halt. Die Strecke ist beliebt, auch die Testfahrten zu Beginn einer Saison finden hier statt. Das erste Rennen gewann Nigel Mansell, Michael Schumacher fuhr insgesamt sechsmal auf Rang eins. Die 26. Auflage auf dem Circuit de Catalunya hat Jungstar Max Verstappen gewonnen.

26 Jahre. Die Formel 1 mag in einer ihrer größten Krisen stecken, an der großen Tradition der selbsternannten "Königsklasse" des Rennsports führt aber kein Weg vorbei. Ich treffe ständig auf Leute, die die Formel 1 auch schon vor 1991 begleitet haben. Bei den Zuschauern, den Journalistenkollegen und natürlich auch im Fahrerlager, Paddock genannt. Man kennt sich, man umarmt sich, man duzt sich.

Ecclestone demonstriert seine Macht

Im Paddock, vom Wortsinn her ein umzäuntes Gelände für Pferde, fällt mir ein zweiter Wesenszug der Formel 1 auf: Es geht um Macht, um Hierarchien, um Arroganz, einfach um das Dicke-Hose-Prinzip. Direkt am Eingang hat Bernie Ecclestone sein Reich aufgebaut. Dieses Reich ist in der Formel 1 üblicherweise ein Truck, der auf zwei Etagen ausgebaut werden kann. Ecclestone begnügt sich mit einer Etage, hat aber einen kleinen Anbau im Vorgarten. Das britische Kennzeichen ("Hi Tec") seines Lkw wirkt angesichts seiner Aversion gegen moderne Entwicklungen wie Hohn.

Der 85 Jahre alte Chefpromoter ist außerdem der Einzige, der mit Chauffeur und Auto ins Fahrerlager kommen darf. Es folgen drei Trucks des Motorsport-Weltverbands Fia und dann die Teams. Natürlich hierarchisch sortiert: Mercedes und Ferrari am Anfang, Pascal Wehrleins Manor-Team am Ende - kurz vor dem Notausgang.

Fotostrecke

Großer Preis von Spanien: Sensationell

Foto: Manu Fernandez/ AP

Einen Ausweg aus der Krise suchen die Verantwortlichen seit Monaten - bisher vergeblich. Immerhin wird mein erstes Rennen noch nicht mit voller Wucht vom Zuschauerschwund getroffen, der Große Preis von Spanien gehört auch in diesem Jahr mit 87.245 Fans zu den gut besuchten Rennen. Zahlen, von denen der Hockenheimring nur träumen kann. Ob der in Barcelona für das Rennen in Deutschland präsentierte Hashtag daran etwas ändert, muss bezweifelt werden: #f1istzurueck.

Insgesamt hat die finanzielle Belastung der Fans etwas Absurdes: Ottomotornormalverbraucher mussten in Barcelona zwischen 130 und 847 Euro für das gesamte Wochenende an der Strecke aufbringen - Übernachtung, Verpflegung und Merchandising (ja, ein Großteil der Zuschauer gibt sich als Anhänger eines Teams oder eines Fahrers zu erkennen) noch nicht eingerechnet. Ich persönlich kam nur vor dem Ayrton-Senna-Shop kurz ins Grübeln.

Vor Ort dabei - und dennoch vor dem Fernseher

Trotzdem bestätigt sich an diesem Wochenende mein Eindruck, dass die Preispolitik nicht der einzige Grund für den Zuschauerschwund ist - zumal ja auch die Zahl der Fans an den TV-Geräten rückläufig ist. Über andere Gründe können Sie sich hier, hier und hier näher informieren. Gerade deshalb hat mich besonders beeindruckt, mit welcher Hingabe die spanischen Zuschauer dem derzeit chronisch erfolglosen Fernando Alonso zugejubelt haben. Die Faszination Motorsport lebt. Trotz allem.

Sie lebt auch, weil es den Mythos Ferrari gibt. Dumm nur, dass der Rückstand des italienischen Rennstalls auf der Strecke immer größer wird. Ferrari ist im WM-Stand zwar etwas an Mercedes herangerückt, aber auch nur weil Nico Rosberg und Lewis Hamilton sich gegenseitig aus dem Rennen nahmen. In der Qualifikation lag die Scuderia mehr als eine Sekunde hinter Mercedes. Hinter vorgehaltener Hand bestätigt jeder Experte die Chancenlosigkeit Ferraris, um dann vorneherum doch wieder von Fortschritten zu schreiben oder zu sprechen. Ich lege mich fest: Ferrari gewinnt in dieser Saison unter normalen Bedingungen kein Rennen.

Und das kann ich sagen, obwohl ich vom Rennen so gut wie gar nichts gesehen habe. Denn als Journalist fliegt man in der Formel 1 Tausende Kilometer, um sich vor den Fernseher zu setzen. Immerhin kann ich durch eine Glasfront auf die Boxengasse schauen - anders als in Bahrain. Dort sitzen die Reporter in einem Presseraum ohne Fenster abseits der Strecke, wie mir ein Insider erzählt.

Es wird wohl noch dauern, bis ich mich zum Formel-1-Zirkus zugehörig fühle. Immerhin erkennt mich der Sicherheitsmann am Eingang wieder. Sein Lächeln hat an Süffisanz verloren, das täglich wiederholte "Hombre" wirkt immer einladender. Ich werde wiederkommen.

Formel-1-Saison 2016