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"Germanys Next Topmodel: Models auf Mallorca

Foto: Getty Images/Matthias Nareyek

"Germany's Next Topmodel"-Finale Weitaaa, immer weitaaa

Ja, ja, Kim hat die elfte GNTM-Staffel gewonnen. Wichtiger aber: Das Finale fand in einer halb leeren Stierkampfarena statt. Umso verzweifelter wurde an den Reglern für Pathos und Spannung gedreht.

Der endgültige Satz über die elfte Staffel von "Germany's Next Topmodel" stand schon in der "taz ", bevor die erste Folge davon überhaupt angelaufen war. Da hatte Margarete Stokowski geschrieben: "Diese Sendung braucht keine elfte Staffel, sie braucht einen Vierzigtonner voll mit Erbrochenem von bulimiekranken Mädchen, der beim nächsten Finale vorfährt. Und ablädt." Das bestätigte sie später noch einmal in ihrer SPIEGEL-ONLINE-Kolumne.

Tatsächlich fand das Finale in der "Wetten, dass..?"-erprobten Stierkampfarena von Palma de Mallorca statt, und die war nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Gähnende Leere auf den oberen Rängen und vereinzeltes Rumlungern zu den Rändern hin bot nicht nur einen verheerenden Anblick, es dürfte auch ein Menetekel für die Sendung sein. Selten waren sinkende Quoten so sinnlich erfahrbar.

Und glücklicherweise hat nicht wirklich eine entschlossene Feministin einen Vierzigtonner ins Stadion gesteuert, um Heidi Klum mit den Konsequenzen ihres Wirkens zu konfrontieren - es wäre noch ein dramaturgischer und moralischer Gewinn gewesen für eine sehr breiige und ziemlich ätzende Sendung. Dabei war dieses Finale nicht nennenswert besser oder schlechter als alle bisherigen Folgen von GNTM. Spürbar war vor allem die Verzweiflung, mit der an den Reglern für Pathos und Spannung gedreht worden ist.

Challenge in China

Eingangs werden die Finalistinnen auf Sänften in die Manege getragen wie erbeutete Prinzessinnen ins Colosseum, gockelnd geleitet von den Co-Juroren Michael Michalsky und Thomas Hayo. Mathieu Carrière, Vater von Kandidatin Elena, macht Fotos mit dem Smartphone, weil sonst offenbar keiner mitfilmt. Das muss gezeigt werden, mehrmals. Ist immerhin Mathieu Carrière.

Dazu simuliert eine zu Bumsmusik vom Ballermann sich bewegende Heidi Klum beste Laune, bevor in bewährter Zuhälterhaftigkeit die erste "Challenge" eingespielt wird: "Wir wollten unsere Mädels noch mal ganz genau unter die Lupe nehmen und haben sie noch mal auf die Straße geschickt", und zwar mit Flugtickets "ganz allein" (!) zur Fashion Week nach Shanghai.

In China ging es für die verhuschten Jasmins, Kims oder Elenas darum, worum es auch VW, Siemens oder mittelständischen schwäbischen Fräsmaschinenherstellern in China so geht - Aufträge an Land ziehen. Die Kamera begleitete die Kandidatinnen auf die Flughafentoilette zum "Zähneputzen, frisch machen" und beim Antichambrieren bei chinesischen Couturiers. Es ist die Welt, nach der "die Mädchen" (Klum) sich sehnen: eine, in der sie erst "gefittet" und dann "geshootet" werden.

"Elegant, nicht klotzig"

Immer wieder gibt es Anlass für "Whoo-hooo!"-Geschrei mit anschließender Umarmungsorgie, so sind sie eben, die Mädchen, ständig wird geschmust. Und weil Elena dabei häufiger die Nähe von Kim sucht und um eine interessante Erklärung für dieses Verhalten nicht verlegen ist, konstruiert der Sender prompt eine verklemmte kleine Lesbengeschichte - um sie sogleich wieder unter den Tisch fallen zu lassen, war ja nur so eine Andeutung, hihi.

Die versuchsweise Markteinführung der Finalistinnen wird danach in der Arena mit einem "Asia Walk" nachinszeniert, bei dem die jungen Frauen auf ganz besonders gehässigen chinesischen Blockschuhen "elegant, nicht klotzig" laufen müssen. Klum, die es natürlich besser weiß: "Erzählt mal, wie war denn Shanghai? Hattet ihr denn Zeit zum Shoppen? Nein? Och, warum denn nicht?" Und dann fliegt erst einmal die Kandidatin, die in China underperformt hat: "Das tut mir so leid. Du bist ein absoluter Sonnenschein, und Du wirst deinen Weg gehen."

Es folgen weitere "Challenges", an deren Rand die jungen Frauen zweigen, wie brav sie den milieubedingten Sexismus ihrer Branche bereits internalisiert haben: "Sie hat so schöne Augen, ey, kann man gar nicht weggucken!", zwitschert's und greift sich zwinkernd an die Brüste. Bei einem Strandshooting müssen sie mit aufblasbaren Delfinen durch die Brandung hüpfen und sich bespritzen lassen. "Wow", wowt Klum: "Schöne Figur!", als wäre ihr das eben erst aufgefallen. Wer keine so schöne Figur gemacht hat, ist raus: "Du bist ein ganz besonderer Mensch, und das weißt du!"

Klums Markenzeichen

Überhaupt nimmt das ermunternde Bombardement aus Ansprachen wie "Du hast kein einziges Mal gewackelt in der ganzen Staffel!" oder Fragen wie "Du steckst voller Energie! Aber hast du noch Kraft für das letzte Battle?" kein Ende. Hayo und Michalsky merkt man ihre Müdigkeit und ihren Überdruss an, das sind halt keine echten Profis.

Anders als Heidi Klum, deren notdürftig überzuckerte Härte längst zu einem Markenzeichen geworden ist, hinter dem sie komplett verschwunden zu sein scheint. Sie sagt Sachen wie: "Ich will ja nicht sagen, dass es meine Lieblingsstaffel war, aber es war meine Lieblingsstaffel, und das lag an den Mädchen, die sind mir sooo ans Herz gewachsen."

Spürbar echte "Emotion" zeigt Jasmin, als sie, rausgewählt und damit dem Horror entronnen, zu ihren Eltern ins Publikum läuft und jubelt: "Endlich vorbeiii! Jaaa!" Darauf wendet sich Klum vollautomatisch den Verbliebenen zu: "Herzlichen Glückwunsch, für euch geht es weitaaa!"

Kim im GNTM-Finale

Kim im GNTM-Finale

Foto: Getty Images/Matthias Nareyek

Weitaaa geht es mit dem finalen Shooting, für das Kim und Elena im verwaisten oberen Rand der Arena vor einem roten Tuch fotografiert werden. Der Clou: "Wir haben jemanden, der kommt von hinten und betatscht dich so'n bisschen." Und dann steht da tatsächlich ein Mann hinter dem Tuch und betatscht sie so'n bisschen. Die Juroren auf der Couch ganz fachmännisch: "Man sieht, dass es ihr richtig viel Spaß macht und sie sich auf das Spiel einlässt." Spätestens jetzt hätte man sich doch den Vierzigtonner gewünscht.

Statt dessen Werbung, Werbung, immer wieder Werbung. Beziehungsweise nützliche Produktinformationen für Mädchen, die sich auf das "Spiel" einlassen wollen. Also Lockenwickler, Haarwaschmittel, Antipickelwaschcreme, Hautstraffer, Rasierer, Reinigungswasser, Nagellack, Nagellackentferner, Binden, Schwangerschaftstests, ein Opel und die offizielle GNTM-CD mit "tollen Beats, auf die man echt gut laufen üben kann".

Kim siegt

Am Ende gewinnt Kim, die ohnehin das größte Opfer gebracht und sich im Verlauf der Staffel eine kurze "Männerfrisur" hat verpassen lassen. Heidi Klum rät, sie solle "den Moment genießen und alles, was kommt", also Knebelverträge mit Papa Klum und Auftritte in Autohäusern, wahrscheinlich bei Opel.

Aber wer weiß, vielleicht wird's auch was mit L'Oréal, für die jetzt noch eine gewisse Lena Meyer-Landrut an ihren Haaren zupft. Die muss auch mal irgendwas gewonnen haben.

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