Autogramm Maserati Levante: Ohrensausen inklusive
Autogramm Maserati Levante Der findet Anhänger
Der erste Eindruck: Der Levante sieht aus wie zwei Autos in einem. Vorn reißt er den Kühlerschlund aggressiv auf, das Heck hingegen ist so grazil und elegant, dass Konkurrenzmodelle wie Porsche Cayenne oder der BMW X6 im Vergleich ziemlich grobschlächtig wirken.
Das sagt der Hersteller: SUVs in der Oberklasse gebe es viele, sagt Maserati-Chef Harald Wester. Das sei schließlich der Grund, weshalb auch Maserati in dieses Segment einsteige: Der erste Geländewagen der Marke soll bereits im nächsten Jahr zum meistverkauften Modell der Marke werden. Als Maserati fürs Grobe oder als Familenauto? Weder noch sagt Wester. "Zuallererst einmal ist es ein Maserati." Also: lustvolles Design, leistungsstarker Antrieb und ein leidenschaftlicher Klang.
Das ist uns aufgefallen: Der Levante fühlt sich in der ersten Reihe an wie ein Sportwagen auf Stelzen. Kaum ist man in die ungewöhnlich tiefausgeschnitten Ledersitze geklettert, hat das dicke Lenkrad in Händen und die stark konturierte Motorhaube vor Augen, wähnt man sich in einem Sportwagen - nur eine Etage höher.
Im Fond verhält es sich anders. Trotz nicht gerade üppiger Kopffreiheit ist das SUV geräumiger als die Limousinen von Maserati. Vom Kofferraum ganz zu schweigen: Der fasst schon bei voller Bestuhlung 580 Liter, lässt sich auf rund 1600 Liter erweitern und auf Wunsch mit einem angedeuteten Fußtritt öffnen. "Sogar ein variables System zur Ladungssicherung oder eine Anhängerkupplung haben wir für den Levante entwickelt", sagt Wester. Es klingt, als könnte er es selbst kaum glauben.
Der Maserati Levante im Video
Trotz des Einsatzes von viel Aluminium und ein wenig Titan ist der Levante natürlich kein Leichtgewicht, zwei Tonnen bringt er auf die Waage. Dafür ist er erstaunlich agil. Verantwortlich dafür ist der V6-Turbomotors mit 430 PS und 580 Nm Drehmoment, aber auch andere, technische Details.
Die serienmäßige Luftfederung zum Beispiel hat fünf verschiedene Niveaus mit einer Höhendifferenz von zwölf Zentimetern, der Allradantrieb leitet so viel Kraft wie irgend möglich an die Hinterachse, die Achtstufen-Automatik schaltet rasend schnell und das Skyhook-Fahrwerk berechnet die optimale Dämpferkraft alle paar Millisekunden neu. Lediglich die Lenkung könnte etwas direkter sein, dann kämen auch die ausgeglichene Gewichtsverteilung und der niedrigste Schwerpunkt in dieser Klasse noch besser zur Geltung.
Und dann der Klang: Die Nachbarn werden einen zwar verfluchen, aber was solls - mit diesem Orchester unter dem rechten Fuß kann man sich Spielereien mit dem Gasfuß nicht verkneifen.
Im Vergleich dazu wirkt das Interieur geradezu zurückhaltend. Mag sein, dass die Lederfarben etwas knalliger sind als bei der Konkurrenz und Seidenstoffe aus dem Hause Zegna gab es zuvor auch noch nie in einem Serienauto. Doch das Armaturenbrett ist eher schlicht und die Materialanmutung nicht ganz so vornehm, wie man es bei einem derart klangvollen Namen - seit Jahren übrigens vergeblich - erwartet.
Zumindest bei den Testwagen aus der Vorserie ist der Unterschied zur Premium-Konkurrenz nördlich der Alpen noch sicht- und spürbar. Zudem wird der Fahrtwind ab 120 km/h überaus präsent - ein Tribut offenbar an die rahmenlosen Scheiben, die sich so bislang kein anderer SUV-Hersteller getraut hat. Ein modernes Infotainmentsystem und eine 360 Grad-Kamera bietet das Auto, Apple Carplay, LED-Scheinwerfer oder einen Autopiloten mit Lenkeingriff etwa gibt es jedoch nicht. Auch bei der Bestätigung der Vorurteile ist der Levante also durch und durch ein Maserati.
Aus der aktuellen Schwemme der SUV sticht der Levante trotz der Abzüge bei Ambiente und Ausstattung wohltuend heraus. Damit ist er eine echte Bereicherung für all jene, die nicht den fünften Audi Q7, Porsche Cayenne oder BMW X5 in ihrem Viertel fahren wollen. Aber ist der Wagen auch eine Bereicherung für Maserati?
Ganz sicher nicht für Puristen, die in den Autos aus Modena die elegante, kultivierte Antwort auf die Ferraris aus der Nachbarstadt Maranello sehen und noch immer von Legenden wie den luxuriösen A6 oder dem 3500 GT aus den Fünfzigern oder den noch älteren Rennwagen träumen.
Aber für die haben die Italiener den Pfad der Tugend eh schon lange verlassen und sich spätestens mit dem ungewöhnlich gewöhnlichen Ghibli-Comeback oder dem Diesel für die Limousinen selbst ins Abseits geschossen. Alle anderen werden mit dem Levante genauso ihren Frieden machen wie Porsche-Fahrer mit dem Cayenne. Diese etwas pragmatischeren Kunden sehen in dem Dickschiff die Lebensversicherung für eine legendäre Marke.
Dass muss man wissen: Die Offroad-Kompetenz im Fiat-Konzern liegt zweifellos bei der amerikanischen Marke Jeep, der Levante jedoch ist ein durch und durch italienisches Auto. Er teilt sich die Antriebs- und Allradtechnik mit den Maserati-Modellen Quattroporte und Ghibli, nutzt Motoren aus Modena oder Maranello und er läuft im Werk Mirafiori vom Band. Dort hat die Produktion Ende Februar begonnen, sodass im Mai die ersten Autos zu den Händlern kommen. Los geht es mit dem V6-Benziner ab 88.000 Euro. Im Juli folgt eine Variante mit V6-Diesel und 275 PS zum Preis von 70.500 Euro. Darüber hinaus kündigt Wester für 2018 im Levante den ersten Plug-in-Hybridantrieb bei Maserati an.
Das werden wir nicht vergessen: Das Bollern und Grollen des Sechszylinders, als das Auto am Ende der Testtour von einem Mechaniker davon gefahren wird. Als der Wagen schon längst außer Sicht ist, dröhnt der Motor noch lange über die italienischen Hügel. Von diesem Auto, das soll wohl die Botschaft sein, wird man noch viel hören.