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Uncharted 4: Nimmt der Dieb ein böses Ende?

Foto: Sony

"Uncharted 4" im Test Machs gut Nathan. War schön mit uns

Die "Uncharted"-Reihe um Abenteurer Nathan Drake liefert ein letztes Mal großes Kino. Der Held ballert, klettert, rätselt, dass es eine Freude ist - und wirkt in den besten Momenten menschlich wie nie zuvor.

Im dämmrigen Licht des Dachbodens schlummert die Vergangenheit: Dublonen, Statuen und vergilbte Karten. Bröcklige Pergamente, die unter den Händen zerblättern, und auf denen X immer, wirklich immer, die Stelle markiert, an der er graben musste. Sein ganzes Leben hat der Glücksjäger hier oben archiviert. In einem Aktenschrank lagern Hinweise auf andere Schätze, neue Abenteuer. Aber sie sind nur ein Traum - denn Nathan Drake ist im Ruhestand.

Seit 2007 sind Millionen von Playstation-Spielern gemeinsam mit dem Abenteurer und Nachfahren des Piraten Sir Francis Drake auf Schatzsuche gegangen. Dreimal auf der PS3, zweimal auf Sonys gescheitertem Handheld Vita. Der Mix aus akrobatischer Schatzsuche im Stile der "Tomb Raider"-Serie, Schießereien wie bei "Gears of War" und historischer Fiktion à la "Baphomets Fluch" hat der Reihe Kultstatus verpasst.

Nun soll Nathan Drake in "Uncharted 4: A Thief's End" seinen letzten großen Auftritt haben - doch statt Reichtum und Ruhm jagt der Held erst einmal Schrott hinterher. Als Industrietaucher birgt er zu Beginn des Spiels Kupferdraht aus einem Fluss, bevor es auf den heimischen Speicher zur Erinnerungspflege geht - und im Anschluss zum Nudelessen ins Wohnzimmer mit Ehefrau Elena. Mit Jazzmusik und sehnsüchtigen Blicken aufs gerahmte Südseeparadies über der Schrankwand.

Die "Uncharted"-Reihe zeichnet seit Beginn der Hang zur filmischen Erzählweise aus. Auch der aktuelle Teil nimmt den Spieler konsequent an die Hand, um ihm die Geschichte von Nathan Drake zu erzählen. Bevor er im Jetzt ankommt, begleitet er Drake im Tutorial in die Kindheit des Helden im katholischen Waisenhaus und lässt ihn als Zwanzigjährigen den Verlust des großen Bruders erleben.

Achterbahn der Gefühle

Lange hält es Drake aber dann nicht im beschaulichen Heim. Die Gelegenheit, den legendären Piratenschatz des Freibeuters Henry Every zu bergen - und dabei seinen von den Toten auferstandenen Bruder Sam zu retten, führt Nathan Drake abermals auf eine Hatz rund um den Globus. Blaue Lagune in der Südsee, Ruinen im schottischen Hochland, ein Anwesen in Italien - die Schauplätze wechseln im Stakkato. Ebenso rasant wie die Spielmechaniken. Feuergefechte folgen auf Rätsel. Schleichpassagen auf Verfolgungsjagden im Geländewagen. Und immer wieder die Kletterei. An alten Kathedralen und zerbröselnden Felsvorsprüngen. An Lastkränen, Villen und den Säulen verfallener Tempel.

Nicht umsonst nennt man diese Art des Spielsdesigns auch Rollercoaster. Wie auf einer Achterbahn rast der Spieler auf Schienen durch die Attraktionen. Große Freiheiten lassen ihm die Designer dabei nicht. Denn das würde die Illusion des gespielten Filmes zerstören. Immer wieder übernimmt der Computer also die Kamera, um besonders spektakuläre Aussichten angemessen zu würdigen.

Die frotzelnden Dialoge der Charaktere erinnern folgerichtig an die großer Sommer-Blockbuster aus Hollywood. Dazu noch brillante Sprecher und fantastisches Motion-Capturing, dank dem die Videospielcharaktere wie echte Menschen stolpern, springen und sanft über die Oberfläche einer Steinmauer tasten. Selbst das Stirnrunzeln und Grinsen von Nathan und seinen Begleitern wirkt teilweise fotorealistisch. Eine einziger Spaß also? Nicht ganz.

Gebrochene Helden

In den stillen Momenten von "Uncharted 4" spürt man deutlich den Einfluss des Überspiels "The Last of Us". 2013 hatte Entwickler Naughty Dog die Abenteuer von Nathan Drake mechanisch kopiert und in die postapokalyptischen USA verfrachtet. Das todtraurige Endzeitspiel um ein unfreiwilliges Vater-Tochter-Gespann avancierte zum Kult. Seine behutsame Figurenzeichnung findet sich nun auch im letzten Abenteuer von Nathan Drake wieder. Egal, ob der mit Gattin Elena kuschelt oder den Schmerz über das Scheitern des eigenen Lebensentwurfs beim Witzeln mit dem Bruder übertüncht. Der lässige Abenteurer ist ein Getriebener, zerrissen zwischen Abenteuerlust und Verantwortung. Geplatzte Träume inklusive.

Dass dieser Spagat gelingt, ist auch der Gewichtung der Spielelemente geschuldet. In den Vorgängern zerlegte sich das Spiel beim Geschichtenerzählen regelmäßig selbst. Wenn auf einen fluffigen Dialog eine Schießerei folgte, bei der 40 Bösewichte brutal erledigt wurden, beschädigten sich Spielwirklichkeit und Spielerzählung gegenseitig. Ludo-narrative Dissonanz nennt man das. Im neuen Teil ist es nun mehrmals möglich, Schießereien durch Schleichen zu umgehen. Zum Glück.

Seine stärksten Momente hat das Spiel immer dann, wenn die Waffe im Holster bleibt. Und Nathan Drake klettert und rätselt und kombiniert und über die unglaublichen Aussichten staunt - und der Spieler mit ihm. Wenn er mit einem glucksenden "Okay, jetzt wird's ein bisschen dramatisch mit den Statuen hier" die erhabene Atmosphäre zerbricht. Nur um gleich darauf wieder ehrfürchtig am Mauerwerk eines Piratenverstecks entlang zu streichen. Mit Drake verliert die Videospielwelt einen ihrer charismatischsten Helden. Mach's gut Nathan. War schön mit dir.


"Uncharted 4: A Thief's End" für Playstation 4, ca. 70 Euro, freigegeben ab 16 Jahren.