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Hamann zum Bayern-Halbfinale "Die Spieler fällen die Entscheidung, nicht der Trainer"

Die Bayern sind vor dem Halbfinalrückspiel gegen Atlético Madrid nervös. Der Druck lastet vor allem auf der Mannschaft, weniger auf Trainer Guardiola, sagt SPIEGEL-ONLINE-Experte Dietmar Hamann.
Atléticos Koke, Bayerns Philipp Lahm

Atléticos Koke, Bayerns Philipp Lahm

Foto: Gonzalo Arroyo Moreno/ Getty Images
Zur Person
Foto: Gerry Penny/ dpa

Dietmar "Didi" Hamann (Jahrgang 1973) gab 1993 sein Bundesligadebüt für den FC Bayern. Fünf Jahre später wechselte er in die Premier League, wo er für Newcastle United, den FC Liverpool und Manchester City spielte. Hamann absolvierte 59 Länderspiele und wurde 2002 Vizeweltmeister. Heute lebt er in der Nähe von Manchester, arbeitet als Experte für den Sender Sky und kommentiert für SPIEGEL ONLINE regelmäßig Entwicklungen in der Bundesliga und im internationalen Fußball.

Vor dem Rückspiel am Abend in München gegen Atlético Madrid im Halbfinale der Champions League (20.45 Uhr ZDF, Liveticker SPIEGEL ONLINE) ist die Anspannung in München spürbar. In der Liga musste die vorzeitige Feier der Meisterschaft nach dem Heim-Remis gegen Borussia Mönchengladbach verschoben werden, nach dem 0:1 im Hinspiel in Madrid wird zudem über einen möglichen Aufstellungsfehler von Trainer Josep Guardiola diskutiert. SPIEGEL-ONLINE-Experte Dietmar Hamann hat auch ein eher flaues Gefühl.

Die Bayern haben es im Hinspiel bei Atlético Madrid versäumt, das wichtige Auswärtstor zu erzielen. Wie groß ist jetzt innerhalb der Mannschaft vor einem solchen Rückspiel die Anspannung, die Unsicherheit?

Unsicherheit würde ich es nicht nennen, dazu hat der FC Bayern zu viele gestandene Spieler mit dem Glauben an die eigene Leistungsstärke. Aber nachdem man im dritten Jahr gegen ein drittes spanisches Team zum dritten Mal auswärts verloren hat, ohne ein Tor zu schießen, wabert jetzt schon der eine oder andere Zweifel durch die Köpfe, ob man es diesmal schaffen wird.

Vor dem Hinspiel war schon die Rede davon, das die Bayern gegen diesen Gegner Geduld haben müssen. Das fällt jetzt umso schwerer, weil ein Tor einfach her muss.

Egal. Wenn du gegen Atlético nicht geduldig bist, hast du verloren. Man muss gute und richtige Entscheidungen treffen. Und die, unbedingt in den ersten Minuten zwei Tore erzielen zu wollen, würde ich nicht dazu zählen. Weil Atlético einfach zu gefährlich ist, die sind da hinten so unfassbar gut auf Defensive gedrillt, wie ich es selten gesehen habe.

Gute und richtige Entscheidungen auf dem Platz zu treffen -wer ist da mehr in der Pflicht: Der Trainer oder das Team? Mit anderen Worten: Muss in einer solchen Situation nicht das Team entscheiden, was zu tun ist, egal, was der Trainer vorher gesagt hat?

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Foto: Peter Kneffel/ dpa

Die erfolgreichen Teams tun das jede Woche. Sobald angepfiffen wird, sind die Spieler ohnehin auf sich allein gestellt. Und es macht die großen Spieler aus, dass sie beides hinbekommen: Die Anweisungen des Trainers im Hinterkopf zu haben, aber selbstständig auf dem Platz zu entscheiden, was jetzt zu tun ist. Das war zu meiner Zeit so, das ist heute genauso.

Im Achtelfinale gegen Juventus hatte man das Gefühl, als habe die Mannschaft irgendwann entschieden, die Strategie umzustellen und nur noch hohe Bälle in den Strafraum zu schlagen - wie früher.

Exakt. Und so etwas passiert ständig. Mir wird ohnehin viel zu viel Augenmerk auf die taktischen Dinge gelegt. Die sind wichtig, aber im Spiel entscheidet der Spieler, entscheidet das Team. Und wenn du nach 60 Minuten merkst, es bringt einfach nichts, immer wieder zu versuchen, durch eine Abwehr durchzuspielen, dann musst du das ändern. Dafür hat man die erfahrenen Spieler. Bayern hat so viele Weltmeister und Champions-League-Sieger in den Reihen, die entwickeln das Gespür für die Situation.

Und der Trainer? Nach dem Hinspiel gab es eine heftige Debatte um die Aufstellung von Josep Guardiola und darum, Thomas Müller nicht von Beginn an gebracht zu haben.

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Foto: JAVIER SORIANO/ AFP

Ich habe das auch nicht verstanden. Alle reden über das Auswärtstor und wie wichtig es ist, und wenn das so ist, dann muss ein Mann wie Thomas Müller spielen. Er ist einfach einer, der immer richtig steht und das wahrscheinlich selbst nicht erklären kann. Aber so ist Pep eben: Er spielt manchmal ohne Spitze, manchmal ohne Außenspieler, und bisher haben immer alle gesagt, wie innovativ und richtig er das macht. Aber es kann natürlich sein, dass es ihn jetzt, wo es drauf ankommt, in den Hintern beißt.