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kicker.tv

VfB-Pleite in Bremen Immer wieder montags

Sechs Tore gegen den Abstieg: In besonderer Atmosphäre hat Werder Bremen den VfB Stuttgart abgeschossen und Zuversicht im Ligaendspurt getankt. Die Stuttgarter dagegen kommen der zweiten Liga immer näher.

Daniel Didavi hatte die Hände in den Taschen seiner Trainingshose vergraben, den Blick zu Boden gerichtet, die Stimme auf minimale Lautstärke gestellt. Mit einer Mischung aus Scham und Verärgerung sprach er über das, was ihm und seinen Stuttgarter Kollegen gerade zugestoßen war im Bremer Weserstadion.

"Das ist eine Schande. Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen", sagte Didavi, der gegen den SV Werder zum zwischenzeitlichem 1:1 getroffen hatte, mit einem Pferdekuss kurz vor der Pause beim Stand von 1:3 ausgewechselt wurde und in der zweiten Halbzeit von draußen ertragen musste, wie seine Mannschaft zerlegt wurde und 2:6 verlor.

Der VfB trat vor allem in der zweiten Halbzeit so auf, als habe er Sehnsucht nach regelmäßigen Montagsspielen. Die dann allerdings in der zweiten Liga stattfinden würden.

"Unser Zweikampfverhalten ist ein Witz"

Zwei zu sechs! In Bremen! Da kann einem schon mal der Sinn für Diplomatie abhanden kommen. Didavi hatte keine Lust, Ausreden für die Blamage zu suchen oder das Spiel schön zu färben wie sein Trainer Jürgen Kramny, der davon sprach, dass der VfB bis zum 2:3 gut im Spiel gewesen sei. "Wir legen uns die Bälle selbst rein. Unser Zweikampfverhalten ist ein Witz", schimpfte Didavi. Dann verschwand er in den Katakomben, wohlwissend, dass er dank seines Wechsels zum VfL Wolfsburg auch in der kommenden Saison in der ersten Liga spielt.

Bei dem Rest der Stuttgarter ist das unklar. Durch die krachende Niederlage ist der VfB auf den vorletzten Platz gerutscht. Gegen Mainz und in Wolfsburg hat die Mannschaft zwei Endspiele, die sie aus schlechter Ausgangslage angeht. "Wir sind in einer Position, in der wir nichts mehr zu verlieren haben", klagte Stuttgarts Sportchef Robin Dutt. In einer Position, in der der Abstieg wahrscheinlicher ist als der Klassenerhalt.

Der VfB hat einen dramatischen Einbruch erlebt in den vergangenen Wochen. Die Mannschaft war ja fast schon gerettet, stand nach dem 21. Spieltag auf dem zehnten Tabellenplatz. Vergessen war der selbstzerstörerische Fußball, den die Stuttgarter unter Kramnys Vorgänger Alexander Zorniger gespielt hatten. Doch nach dem 2:6 in Bremen, der fünften Niederlage in den vergangenen sieben Spielen, ist die Abstiegsangst konkret wie nie in dieser Saison aus Sicht des VfB.

Und wieder zwei Verletzte hinzu

Bei der Suche nach Gründen war Sportchef Dutt wenig kreativ. Er verwies auf die vielen Verletzten. Auf Kevin Großkreutz, der seit Mitte März mit einem Muskelbündelriss fehlt. Auf Serey Dié, der an einem Sehnenriss laboriert. Auf den Langzeitverletzten Daniel Ginczek. Auf Christian Gentner, der in Bremen wegen Muskelproblemen nicht mitmachen konnte. Und jetzt ergänzen auch noch Didavi und Federico Barba das Lazarett, der mit einem Kopfball ins eigenen Netz zum 2:1 für Werder traf, den 2:3-Anschlusstreffer mit der Hacke erzielte und nach einer Stunde mit Oberschenkelproblemen vom Feld musste. "Ich will die Spieler nicht kritisieren. Das sind die letzten, die wir haben", sagte Dutt über die Elf, die sich in Bremen in das Desaster fügte.

Es war ein trauriger Abend für Stuttgart. Und eine magische Nacht für Werder.

Sie begann mehr als eine Stunde vor dem Spiel, als eine Fanmasse den Mannschaftsbus bei der Ankunft am Stadion begrüßte. Abstiegskampf ist in Bremen traditionell die Zeit, in der Klub und Anhang zusammenrücken. "Ich habe schon vor dem Spiel gemerkt, dass nichts schief gehen kann. Ein Riesenkompliment an die Fans. Man merkt, dass die ganze Stadt hinter uns steht", sagte Werder-Kapitän Clemens Fritz.

Skripnik erinnerte sich an das Double-Jahr

Die Atmosphäre im Weserstadion war speziell. Aus Protest gegen den Montagstermin boykottierten die Ultras das Spiel. Ihre Fahnen und Plakate fehlten. Koordinierte Gesänge gab es nicht. Um auf Nummer sicher zu gehen in Sachen Stimmung, hatte der Verein Tausende sogenannter Klatschpappen verteilt, die für Traditionalisten das Symbol für den Niedergang der Fankultur sind und das Spiel tatsächlich mit einer penetranten Klangkulisse unterlegten.

Selten allerdings hat das ganze Stadion so viel gemeinsam gesungen wie beim Spektakel gegen Stuttgart, selten wurden Ballgewinne so laut bejubelt, selten sind so viele Leute gehüpft, als er hieß: "Wer nicht hüpft, der ist kein Bremer!" In der Schlussphase wanderte La Ola über die Ränge. Trainer Viktor Skripnik fühlte sich an die Stimmung im Double-Jahr 2004 erinnert.

Als Rettung wollten die Bremer den denkwürdigen Sieg nicht deuten, doch sie haben gezeigt, dass sie sich mit dem Rückhalt des Publikums mit aller Kraft gegen den Abstieg stemmen wollen. "Wir haben eindrucksvoll bewiesen, dass wir in die Bundesliga gehören", sagte Torwart Felix Wiedwald. Abwehrspieler Jannik Vestergaard sprach davon, dass die Mannschaft Angst in Freude verwandelt habe.

In einem Kurztrainingslager in Verden an der Aller hatte Trainer Skripnik sein Team auf das Spiel gegen Stuttgart vorbereitet und dabei auch einem Sportpsychologen vertraut. Die Maßnahme scheint gewirkt zu haben.