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Satellitenbild der Woche Eiskratzer

Einem US-Forscher fallen auf einem Satellitenbild des Kaspischen Meeres geheimnisvolle Spuren auf. Was sorgt für das Phänomen in der menschenleeren Region? Ein russischer Kollege hilft bei der Lösung.
Inseln im Kaspischen Meer mit geheimnisvollen Spuren

Inseln im Kaspischen Meer mit geheimnisvollen Spuren

Foto: NASA

Robben gibt es ziemlich viele auf den Tjuleni-Inseln im Kaspischen Meer, Möwen, Blässhühner, Enten, Schwäne und andere Wasservögel ebenso. Menschen dagegen sind rar. Nur auf einem der Eilande, Kulaly, existieren eine Wetterstation und ein Grenzposten der Republik Kasachstan. Deswegen konnte Ozeanforscher Norman Kuring vom Goddard Space Flight Center der Nasa auch niemanden um Hilfe fragen, als er kürzlich ein verblüffendes Bild der Gegend auf dem Tisch hatte.

Die Echtfarbaufnahme vom 16. April 2016 hatte der "Operational Land Imager" vom Satelliten "Landsat 8" geliefert. Für die dunkelgrünen Bereiche im Bild gab es schnell eine einfache Erklärung: Das Wasser des Kaspischen Meeres ist in dem betreffenden Gebiet nur wenige Meter tief. Deswegen lassen sich auf den Fotos aus dem All Wasserpflanzen und Algen am Boden gut erkennen. Doch woher stammten die zahllosen hellen Linien im Bild?

Es müsse sich wohl um ein Phänomen handeln, das den Boden des Gewässers beeinflusst, war sich Kuring schnell sicher - nachdem er ein älteres Bild aus der Region zum Vergleich zurate gezogen hatte. Auch auf einem "Landsat"-Bild vom 17. Januar 2016 finden sich nämlich schon viele der merkwürdigen Striche.

Dass diese ihren Platz so lange behalten hatten, sprach dagegen, dass die Erklärung im Wasser zu suchen wäre. Das wäre über Monate durch Winde und Gezeiten durcheinandergewirbelt worden, die geheimnisvollen Linien hätten irgendwann verschwinden müssen.

Schleppnetze sorgen für ähnliche Spuren

Warum waren sie immer noch da? Am Grund der Weltmeere lassen sich manchmal ähnliche Kratzer nachweisen. Sie stammen von den Schleppnetzen der Fischfangflotten, die den Ozeangrund stellenweise regelrecht rasieren. Doch für die Schrammen am Grund des Kaspischen Meeres gibt es in der Mehrzahl wohl eine andere Erklärung, glaubt man bei der Nasa.

Ausgangspunkt ist das Bild aus dem Januar. Hier finden sich, vor allem im Nordosten des Ausschnitts, also in der rechten oberen Ecke des Bildes, Eisblöcke. Sie stehen jeweils am Endpunkt eines Kratzers. Im Foto aus dem April sind sie nicht mehr zu sehen - wohl aber die Schleifspuren am Gewässergrund.

Die Inseln im Januar 2016

Die Inseln im Januar 2016

Foto: NASA

Aus den Polarregionen der Erde wissen Geoforscher schon seit ein paar Jahrzehnten, dass mächtige Eisberge metertiefe Schleifspuren am Meeresgrund hinterlassen können. Diese können zum Beispiel für unterirdisch verlegte Öl- und Gaspipelines gefährlich werden. Doch das winterliche Eis auf dem Kaspischen Meer wird normalerweise gerade einmal einen halben Meter dick. Wie könnte es also den im Schnitt drei Meter tiefen Seegrund in dem Gebiet erreichen?

Die Nasa führt als Kronzeugen den russischen Forscher Stanislaw Ogorodow von der Lomonossow-Universität in Moskau ins Feld. Er hat bereits vor sechs Jahren in einem Fachartikel  beschrieben, wie die vergleichsweise dünne Eisdecke des Kaspischen Meeres durch Wind und Wellen an manchen Stellen so aufeinandergetürmt wird, dass Eishügel entstehen. Diese wiederum reichen dann tief genug in das Wasser hinein, um den Boden zu zerkratzen. Und genau diesen Effekt hat Norman Kuring offenbar auf dem "Landsat"-Bild beobachtet.

chs