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Rezept für Auberginenrouladen: Mit dem Roulator ins Veggie-Paradies

Foto: Peter Wagner

Rezept für gewickelte Auberginen Mit dem Roulator ins Veggie-Paradies

Auberginen sind für viele Feinschmecker etwa so lecker wie matschige Bananen. Schade, denn mit ihnen lassen sich herrlich fleischige Rouladen zaubern - ganz ohne Fleisch.

Mit einem im Vergleich zu teutonischen Kochbüchern fast schon winzigen Fleisch-Einsatz, aber eben nicht strikt vegetarisch, kocht der einzige türkischstämmige Sternekoch Deutschlands unter anderem originäre Speisen seiner Elternheimat. Diese Lieblingsgerichte aus der Kindheit schreibt Ali Güngörmüs zwar nicht in die Speisekarten seiner beiden Luxusrestaurants in Hamburg  und München . Aber wie nah ihm die warmherzige Osmanenküche ans Herz geht, zeigt sein aktuelles Kochbuch "Meine türkische Küche"*.

Güngörmüs umspannt mit einfach zu realisierenden Rezepten die kulinarische Breite dieses Riesenlandes von seinem Heimatdorf Pageou im tiefsten Ostanatolien bis hin zur modernen, ausgesprochen kosmopolitischen Küche der Metropole Istanbul. Schön sind neben den stimmungsvollen Fotos von Essen und Essern auch die in fast jedes Rezept eingestreuten kleinen Tipps, Zusatzinfos und Geschichten hinter, neben oder vor den Speisen. Und das Fleischkapitel ist tatsächlich das kürzeste.

Auberginen, die Hauptzutat unseres heutigen Rezeptes, spielen seit jeher eine große Rolle in der türkischen Küche. Güngörmüs zeigt sie erstens als simple Creme, die im Gegensatz zu der arabischen Baba Ghanoush, statt mit Sesampaste gebunden, durch Orangen und Zitronen herrlich aufgefrischt wird. Eher zu den Sternen greift er mit einem Rezept für Wachteln auf Auberginen mit Mandelkartoffeln. Authentischer dagegen ist "Imam Bayildi", das sich nicht nur ähnlich liest wie "Confit Byaldi". In dem Ratatouille der berühmten Animationsfilm-Ratte Remy ist die Aubergine ebenso Protagonist wie in dem von Güngörmüs' Mutter bei fast jedem Familienfest zubereiteten Ofengericht, das er etwas übertrieben mit "Der Imam fiel in Ohnmacht" übersetzt.

Das Gemüse haut den Imam aus den Latschen

Warum der Geistliche aus den Latschen kippte, ist nicht überliefert, aber "bayildi" kann auch "entzückt" oder "beeindruckt" heißen. Wie auch immer, wir tippen einfach mal darauf, dass er zu viel von den ausgesprochen fetthaltigen gefüllten Auberginenhälften gegessen hat. Das mütterliche Rezept lässt dieses Gemüse nämlich zunächst einmal in der Pfanne nach und nach 100 ml Olivenöl inhalieren. Die enorme Saugkraft dieses Gemüses sorgt leider immer wieder dafür, dass es von Genießern abgelehnt wird, die sich angesichts der Konsistenz eher an zermatschte Bananen erinnert fühlen.

Dieser Fettpresse kann man aber ganz einfach entgegenwirken. Das Fruchtfleisch der heute gehandelten Auberginenarten hat deutlich weniger Bitterstoffe als früher. Damit entfällt die dehydrierende Einsalzung der Gemüsescheiben, die ja die Fettaufnahmekapazität des Gewebes sogar noch erhöht hat. Deshalb können wir unsere heutigen Auberginenröllchen in vergleichsweise wenig Öl anbraten und sie anschließend noch fettarme Tomatensauce aufsaugen lassen. Güngörmüs zeigt in einem Alternativrezept einen anderen Weg auf: Er ritzt die Schnittflächen rautenförmig ein und backt die Auberginen mit den Rauten nach unten auf einem Blech im Ofen mit viel frischen Kräutern und nur ein paar Tropfen Öl.

Als unsere "Auberginenrouladen" in der Mitte eines privaten Dreigangmenüs den Freunden als "vegetarischer Hauptgang" annonciert wurden, gefror einigen eingefleischten Karnivoren kurz das dauerlächelnde Gesichtsfleisch. Normalerweise läuft der Trick ja eher anders herum, also, dass man die Gäste erst hinterher darauf hinweist, dass sie soeben ihre Gaumen jenseits aller Fleischeslüste befriedigt haben. Im Fall der Auberginenröllchen sollten sie es vorher wissen - um sich wundern zu können, wie hier ohne jeglichen Substituten-Einsatz von Soja oder Lupinenschnitzel ein den Mund füllender Aromadruck erzeugt wird.

Hätte man den über das Gericht gebröselten Fetakäse weggelassen und stattdessen zum Beispiel aromatisierte Nuss-Streusel genommen, wäre das Gericht sogar vegan (falls Essig und die Weine ohne Tiereiweiß geklärt wurden). Der auch für Fleischfreunde unerwartet kräftige Geschmack rührt bei diesem Rezept einerseits aus dem Zusammenspiel der Nuss-Röstaromen mit der tiefen Melassigkeit des verwendeten Muscovadozuckers. Fast noch wichtiger ist aber die Säure aus Wein, Portwein und Essig, die immens viel von den in den Trockentomatenfilets gebunden vorkommenden Glutaminen aktiviert - eine echte Geschmacksverstärkerrakete.


*Buchhinweise

Ali Güngörmüs: "Meine türkische Küche"; Dorling Kindersley; 192 Seiten; 19,95 Euro; ISBN: 978-3831027866

Rezept für Auberginenrouladen (vegetarisches Hauptgericht für 4 Personen)

Vorbereitungszeit: 25 Minuten (plus 2 Stunden Marinierzeit)

Zubereitungszeit: 15 Minuten

Schwierigkeitsgrad: einfach

Zutaten

Rouladen

75 g getrocknete Tomatenfilets
150 ml Rotwein
3 EL Balsamicoessig
50 ml Portwein
75 g Walnusskerne
2 EL Walnussöl
100 g braune Champignons
1 Tube Tomatenmark aus getrockneten Tomaten (ca. 80 g)
2 EL frische provencialische Kräuter (Salbei, Thymian, Rosmarin, Majoran etc.), sehr fein gehackt
2 TL dunkler Muscovadozucker (alternativ: dunkler Rohrzucker)
1 TL feines Meersalz
0,5 TL Piment d'Espelette (Chilipulver)
3 dicke Auberginen
4 EL Olivenöl

Sauce

500 g Strauchtomaten, gehäutet und gewürfelt
400 g Datteltomaten aus der Dose*
1 EL dunkler Muscovadozucker (alternativ: dunkler Rohrzucker)
2 EL frische provencialische Kräuter, sehr fein gehackt
4 Knoblauchzehen
1 EL Olivenöl
1 Prise Salz
300 g bulgarischer Schafskäse (oder Feta)

Zubereitung

Rouladen

Tomatenfilets in feine Streifen schneiden. Weine und Essig aufkochen, über die Tomaten schütten und mindestens zwei Stunden marinieren. Walnüsse mittelgrob hacken und mit dem Öl in der Pfanne goldbraun rösten, dabei nicht anbrennen lassen. Champignons klein schneiden und zusammen mit Tomaten, Nüssen, Kräutern, Zucker, Salz, Chili und Tomatenmark im Blitzhacker zu einer glatten Farce mixen - notfalls mit ein bis zwei EL Walnussöl cremiger mixen. Die Masse sollte aber streichfähig und nicht zu verlaufend sein.

Auberginen waschen, längs mittig teilen und auf einer Aufschnittmaschine (oder scharfem Hobel) von der Mitte aus dünne Scheiben von maximal drei mm Dicke schneiden. Scheiben mit der Farce bestreichen, zu Rouladen aufwickeln und mit Zahnstochern fixieren. In großer Pfanne im Olivenöl ringsherum anbraten.

Sauce

Datteltomaten aus der Dose nehmen und halbieren. Knoblauchzehen schälen, in feine Scheiben hobeln und im Olivenöl goldgelb braten. Alle Zutaten inklusive der restlichen Tomatensauce aus der Dose mischen und mit Salz abschmecken. Schafskäse auf scharfer Reibe fein raspeln.

Fertigstellen und Anrichten

Rouladen in Auflaufform geben, mit der Sauce übergießen und mit den Käsekrümeln bestreuen. Im Backofen bei 220°C Umluft zehn Minuten gratinieren.

Küchen-Klang

Zum Glück müssen wir die Tomatenmarinierzeit überbrücken und können aus dem Berg der Neuerscheinungen drei CDs in Ruhe in der Küche durchhören: Der vielleicht weltweit bekannteste Jazzmusiker Deutschlands, der Saxofonist und "Passport"-Bandleader Klaus Doldinger, feiert seinen 80. Geburtstag standesgemäß mit Groß-Kollegen wie Sasha, Helge Schneider, Dominic Miller oder Nils Landgren auf "Doldinger" (Warner). Beim witzigsten Musik-Gruß singt Udo Lindenberg "Der Greis ist heiß". Weitaus cooler, aber mit nicht minder viel Herzblut interpretiert, sind die in intimer Jazztrio-Atmosphäre aufgenommenen Songs von Lisa Simone auf "My World" (Edel) - hier läuft die noch immer stark politisch bewegte Tochter von Nina Simone zu Höchstform auf. Wem das alles zu jazzig ist, der findet eine ganz andere Art von Frauenpower auf der weiblichen Fortsetzung der superwitzigen Retro-Langsamtanz-Reihe "The Ladies Of Too Slow To Disco" (Rough Trade) mit ungehobenen Schätzen von Seventies- Pop-Heldinnen wie Carole King, Rickie Lee Jones oder Carly Simon.

Getränketipp

Angesichts des doch recht überschaubaren Wareneinsatzes für unsere Veggie-Röllchen sind vielleicht noch genug Taler übrig für einen richtig mächtigen mediterranen Roten: Der Torrent Negre 2007* vom mallorquinischen Wein-Star Miquel Gelabert zeigt, was man in diesem Terroir aus den klassisch französischen Rebsorten Merlot, Syrah und Cabernet Sauvignon noch alles hervorkitzeln kann - von den würzigen Röstaromen in der Nase bis zur fast schon fleischigen Dichte und Intensität am Gaumen. Wichtig: Unbedingt zwei bis drei Stunden vor dem Trinken dekantieren.


*Bezugsquellen

Datteltomaten aus der Dose 
Torrent Negre 2007