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Chaos ums Stadtverbot Die Posse von Darmstadt

Die Stadt Darmstadt hält an der Sperrzone für Frankfurt-Fans fest. Für Anhänger der Eintracht gibt es dennoch eine Möglichkeit, rund um das Derby in Darmstadt dabei zu sein. Die Diskussion wird zur Komödie.
Von Timo Reuter
Krawalle in Frankfurt

Krawalle in Frankfurt

Foto: Alex Grimm/ Bongarts/Getty Images

Es wird immer kurioser: Die Stadt Darmstadt hält am umstrittenen Aufenthaltsverbot für Fans von Eintracht Frankfurt fest - obwohl das zuständige Verwaltungsgericht dieses als "offensichtlich rechtswidrig" bezeichnet hat und mehreren Eilanträgen gegen das Verbot stattgab.

Trotzdem teilte Darmstadts CDU-Ordnungsdezernent Rafael Reißer mit, er könne "nicht nachvollziehen, dass das Gericht das ausgesprochene Aufenthaltsverbot für nicht geeignet hält, den legitimen Zweck der Gefahrenabwehr zu erreichen". Deshalb werde die Verbotszone bestehen bleiben.

Am Samstag (15.30 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE) steigt das Derby zwischen Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt. Da die Anhänger der Eintracht vom DFB mit einem Stadionverbot belegt wurden, befürchtete die Stadt Darmstadt, es könne andernorts zu Ausschreitungen kommen. Beim Hinspiel war es in der Frankfurter Arena zu Krawallen gekommen. Deshalb verhängte auch die Stadt ein Aufenthaltsverbot für Gästefans in der Innenstadt.

Das Verwaltungsgericht widersprach dem Urteil am Donnerstag, aber die Stadt Darmstadt umging das Urteil nun mit einem juristischen Trick: Formal-rechtlich gilt die gerichtliche Entscheidung nur für diejenigen, die persönlich einen Eilantrag gegen die städtische Verfügung gestellt hatten. Das heißt: Für sechs Eintracht-Fans zählt das Aufenthaltsverbot nicht, für alle anderen schon. Das Verwaltungsgericht kritisierte dieses Vorgehen: "Das ist eine sehr schlecht nachvollziehbare und fragwürdige Entscheidung", sagte Gerichtssprecher Roland Elser SPIEGEL ONLINE. "So eine Situation gab es an unserem Gericht noch nie."

Eintracht-Fans können immer noch Eilanträge stellen

Es ist eine kuriose Situation, die nun entstanden ist. Denn es bleibt nicht nur weiter höchst fraglich, wie die Polizei im Einzelfall einen Frankfurter Anhänger identifizieren will, wenn der keine erkennbaren Fanutensilien trägt. Das Verwaltungsgericht kritisierte in seiner Entscheidung vom Donnerstag nicht nur diese Absurdität, sondern bezweifelte auch, dass das Stadtverbot seinen Zweck erfülle. Schließlich "könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich die gewaltbereiten Fans in Anbetracht des Verbots durch Fankleidung, Skandieren oder durch sonstiges Auftreten" zu erkennen geben.

Nun stellt man sich beim Darmstädter Verwaltungsgericht in Anbetracht der neuen Situation auf ein langes Wochenende ein. "Es kann sein, dass Hunderte weiterer Anträge gegen die Allgemeinverfügung bei uns eingehen", so Elser. Denn wer nun als Eintracht-Fan am Wochenende legal nach Darmstadt reisen will, muss zunächst einen Eilantrag gegen das Stadtverbot beim Verwaltungsgericht stellen. Die Erfolgschancen stehen gut: "Allen weiteren Anträgen, die formal korrekt eingehen, wird stattgegeben", prognostizierte Elser und bezeichnete die derzeitige Situation als "absurd".

Und tatsächlich bereiten sich Fans des Abstiegskandidaten bereits auf eine massenhafte Anreise nach Darmstadt vor. Ina Kobuschinski, Vorsitzende des Frankfurter Fanclubverbands, berichtet, sie habe bereits 400 Vollmachten für Eilanträge gesammelt, die nun von einer Anwältin an das Verwaltungsgericht übergeben werden sollen. "Die Entscheidung der Stadt ist für uns eine Aufforderung, Eilanträge zu stellen, um zu unserem Recht zu kommen."

Die Krönung der Posse bringt der Ort des Verwaltungsgerichts. Anträge können dort nämlich auch persönlich zu Protokoll gegeben werden. Und da das Darmstädter Verwaltungsgericht außerhalb der Sperrzone liegt, wäre es also für Frankfurter Anhänger durchaus möglich, auch spontan in die Darmstädter Innenstadt zu fahren - mit einem Eilantrag in der Hand und einem kleinen Umweg zum Gericht.