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Kritik an Niedrigzinspolitik Draghi will Einladung des Bundestags annehmen

Für seine Niedrigzinspolitik wird Mario Draghi in Deutschland scharf kritisiert. Laut einem Medienbericht will er diese nun im Bundestag diskutieren. Sorgen bereitet dem EZB-Chef der mögliche Brexit.
EZB-Chef Draghi

EZB-Chef Draghi

Foto: ERIC VIDAL/ REUTERS

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, will sich im Bundestag Fragen zu seiner Niedrigzinspolitik stellen. Er werde eine entsprechende Einladung annehmen und freue sich darauf, sagte Draghi der "Bild". "Eine höflich und konstruktiv geführte Debatte ist durchaus willkommen und hilft uns sogar, unsere Politik zu erklären."

Im Bundestag soll Draghi in einer gemeinsamen Sitzung der Europa-, Finanz und Haushaltsausschüsse sprechen. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Axel Schäfer hatte am Dienstag gesagt, man strebe einen raschen Termin mit dem EZB-Chef an.

Draghi hob nun noch einmal die Unabhängigkeit der EZB hervor. "Die EZB gehorcht den Gesetzen, nicht den Politikern." Einer seiner Vorgänger habe einmal gesagt: "Es ist normal, dass Politiker unser Tun kommentieren. Aber es wäre unnormal, wenn wir darauf hörten."

Deutsche Sparer sollen Anlageverhalten ändern

Mit Blick auf Forderungen aus CDU und CSU, der nächste EZB-Chef müsse ein Deutscher sein, sagte Draghi, auch wenn ein Nicht-Italiener jetzt im Amt wäre, würde er oder sie "denselben Kurs verfolgen wie wir". Kritiker in Deutschland werfen dem EZB-Chef vor, die Niedrigzinspolitik hauptsächlich für die überschuldeten südeuropäischen Staaten zu verfolgen.

Angesichts der extrem niedrigen Zinsen mahnte Draghi die deutschen Sparer zu einem veränderten Anlageverhalten. Sie hätten es mit ihren "Anlageentscheidungen auch selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfallen, auch in Zeiten niedriger Zinsen". Alternativen zum Sparbuch brächten "gute Erträge", sagte Draghi, der einst für die US-Investmentbank Goldman Sachs arbeitete. Zudem gleiche die niedrige Inflation die negativen Effekte der niedrigen Zinsen für Sparer aus.

Sorgen um Europa

In dem Interview  warnte Draghi vor den wirtschaftlichen Folgen eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. "Ich kann und will nicht glauben, dass die Briten für einen Austritt stimmen", sagte der EZB-Chef. Die Briten müssen am 23. Juni in einem Referendum entscheiden, ob sie in der EU bleiben oder austreten wollen, der Ausgang ist Umfragen zufolge offen. "Gemeinsam sind wir stärker. Aber wenn sie es doch tun, muss ihnen klar sein: Sie verlieren all die Vorteile des Binnenmarkts", sagte Draghi.

Über die Entwicklung der Europäischen Union mache er sich indes große Sorgen. "Wir erleben mehrere Krisen, die alle mit einander zusammenhängen und sich gegenseitig verstärken", sagte Draghi. "Umso wichtiger ist es, jedem Nationalismus und Isolationismus zu widerstehen. Beide sind aber auf dem Vormarsch. Das ist meine große Sorge." Von Bundeskanzlerin Angela Merkel wünsche er sich, "dass sie weiter für Europa kämpft."

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brk/dpa/Reuters/AFP