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Griechischer Hafen: Piräus ist verkauft

Foto: © John Kolesidis / Reuters/ REUTERS

Privatisierung von Piräus Draußen Kampf, drinnen Prost

Draußen kämpfen Arbeiter mit der Polizei, drinnen wird angestoßen: Der Hafen von Piräus ist an Chinesen verkauft. Griechenland hofft auf eine Wende für die Wirtschaft.

Im Zentrum der griechischen Hauptstadt Athen sind am Freitag zwei Wirklichkeiten zu besichtigen: Die eine zeigt sich im Zappeion, einem majestätischen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, malerisch gelegen im Nationalgarten im Herzen der griechischen Hauptstadt. Hier zelebrieren tadellos gekleidete Minister, der Athener Bürgermeister, Technokraten und der Chef der chinesischen Reederei Cosco einen Mega-Deal: Den Verkauf eines 67-Prozent-Anteils an Griechenlands wichtigstem Hafen Piräus für die kommenden 36 Jahre an die Chinesen.

Die zweite Wirklichkeit existiert ein paar hundert Meter vom Zappeion entfernt: Wütende Hafenarbeiter liefern sich Scharmützel mit der Bereitschaftspolizei - sie fürchten wegen des Deals um ihre Jobs. Doch die Polizei hält die Arbeiter davon ab, die Party zu verderben. Der Vorsitzende der Hafenarbeitergewerkschaft, Giorgos Georgakopoulos wirft der Syriza-geführten Regierung unter Premier Alexis Tsipras vor, ihre Versprechen gebrochen zu haben und den "Ausverkauf in schlimmstem neoliberalem Geist von Margaret Thatcher" voranzutreiben.

Im Zappeion wird das Getöse von der Musik des griechischen Komponisten Manos Chatzidakis unterdrückt, die aus den Lautsprechern rieselt. Zahlreiche Flaschen sorgfältig ausgewählter griechischer Weine helfen dabei, die Stimmung zu heben.

Aber auch über den Wein und die köstlichen Häppchen hinaus haben die griechischen Minister Gründe, guter Dinge zu sein: Die Piräus-Privatisierung ist der zweite erfolgreiche Verkauf von Staatsbesitz unter der Syriza-Regierung, nachdem die Vereinbarung mit der deutschen Fraport zur Übernahme von 14 Regionalflughäfen vor wenigen Monaten unterschrieben wurde. Wie der Flughafendeal lag auch der Verkauf des Hafens monatelang auf Eis, während die Tsipras-Regierung mit ihren Kreditgebern verhandelte - bis sie im vergangenen August ein neues Hilfsprogramm akzeptieren musste. In der Opposition hatte Alexis Tsipras die Privatisierungen noch vehement bekämpft.

Wichtig ist das Signal

Aber jetzt, in ihrer zweiten Amtszeit, erwartet Syriza gleich mehrere Vorteile von den Einigungen mit globalen Giganten: "Dieser Deal kann zu einem Wendepunkt für die griechische Wirtschaft und die griechisch-chinesischen Beziehungen werden", sagte der griechische Vize-Premier Giannis Dragasakis SPIEGEL ONLINE am Rande der Feier. "Und dies wird kein Einzelfall bleiben. Griechenland wird seine Beziehungen zu China auf vielen Ebenen kräftigen". Tsipras wird in den kommenden Wochen zu einem Besuch in der chinesischen Hauptstadt Peking erwartet.

Für die griechische Regierung ist der Cosco-Deal eine der wenigen guten Nachrichten in einer Zeit, in der die Flüchtlingskrise und die Streitereien mit den internationalen Gläubigern über die Auszahlung neuer Kredittranchen im Gegenzug für schmerzhafte Reformen die Schlagzeilen beherrschen. Mehrere Regierungsbeamte, die an den Verhandlungen mit Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und dem Euro-Rettungsfonds ESM beteiligt sind, zeigten sich optimistisch, dass die Gespräche vor dem griechischen Osterfest am 1. Mai beendet werden. "Keine Angst, Sie können in die Osterferien fahren", sagte ein Minister.

Von dem Piräus-Deal erhofft sich die Regierung in Athen mehr als nur einen finanziellen Vorteil: Griechenland wird zunächst für den Verkauf des 67-Prozent-Anteil von Piräus 368,5 Millionen Euro bekommen, zudem hat Cosco zugesagt, innerhalb der kommenden zehn Jahre 350 Millionen Euro zu investieren.

Wichtiger ist Syriza aber das Signal: Griechenland ist offen für Investitionen und die Wirtschaft ist aus dem Gröbsten raus. Bisher haben die Privatisierungen, die seit 2010 ein wichtiger Punkt der internationalen Kreditprogramme waren, gerade einmal 3,5 Milliarden Euro eingebracht.

Kehrtwende von Syriza

Griechenlands Ex-Finanzminister und jetziger Zentralbankchef Yanis Stournaras betont diesen Punkt: "Der Verkauf wird Griechenland eine Vielzahl von Vorteilen bringen, vor allem natürlich wirtschaftliche, aber nicht nur: Der Deal markiert den Beginn eines neuen Kapitels für unser Land", sagte Stournaras.

Und was sagt Syriza heute über die eigenen früheren Bedenken? Lange hatte das Bündnis versprochen, strategische Anlagen wie Häfen oder Energieversorger in Staatsbesitz zu halten.

Olga Gerovasili, Chefsprecherin der Regierung und eine der engsten Vertrauten von Tsipras, hat auch darauf eine Antwort: "Wir haben eine neue Vereinbarung unterzeichnet." Sie meint damit das 86-Milliarden-Euro-Kreditprogramm, auf dass sich Tsipras im August mit der Euro-Gruppe geeinigt hatte. "Diese Vereinbarung verpflichtet uns, bestimmte Privatisierungen durchzuführen - und wir haben vor, diese Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn Sie mich fragen, ob wir einen anderen Weg einschlagen würden, wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten, dann hätten wir das wohl getan. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich."

Die Kehrtwende von Syriza ist eine Steilvorlage für die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) - die in den Umfragen mittlerweile deutlich vor Syriza liegt. Der liberale Politiker und ND-Vizevorsitzende Kostis Chatzidakis war ebenfalls bei der Feier im Zappeion: "Diese Privatisierung wurde von uns in die Wege geleitet, als wir in der Regierung waren. Und ich freue mich, dass sie jetzt abgeschlossen wurde", sagte Chatzidakis. "Es zeigt, dass Syriza endlich in der Wirklichkeit angekommen ist."

Übersetzung aus dem Englischen: Nicolai Kwasniewski