Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Niederlande: Referendum über Ukraine: Stimmzettel als Denkzettel für die EU

Foto: Evert Elzinga/ dpa

EU-Hass in den Niederlanden Der Traum vom Nexit

Die Niederländer stimmen am Mittwoch über das Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Ukraine ab. Das Nein-Lager will Brüssel einen Denkzettel verpassen.

Ja oder Nein: Sollen die Niederlande dem Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Ukraine zustimmen?

Am Mittwoch werden die Holländer zu einer Volksabstimmung an die Wahlurnen gerufen. Dabei geht es nur vordergründig um das Verhältnis zu dem osteuropäischen Land. Das Nein-Lager hat das Referendum zu einer Abstimmung über die EU stilisiert.

Das Assoziationsabkommen vereinfacht den Handel zwischen Europa und der Ukraine und ermöglicht eine engere Zusammenarbeit auf anderen Gebieten, beispielsweise bei Menschenrechten und der Korruptionsbekämpfung. Teile des Vertragswerks sind bereits seit November 2014 vorläufig in Kraft. Auch haben beide Parlamentskammern in den Niederlanden die Vereinbarungen schon ratifiziert.

Seit dem vergangenen Jahr aber können Bürger eine Volksabstimmung über ein Gesetz beantragen, mit dem sie nicht einverstanden sind. Dafür müssen sie unter anderem innerhalb von sechs Wochen mindestens 300.000 Unterschriften sammeln. Den Initiatoren des Ukraine-Referendums ist das im vergangenen Jahr erstmals gelungen.

Hinter der Kampagne steckt eine Gruppe EU-Kritiker, die im rechts-konservativen und häufig geschmacklosen Blog GeenStijl  eine Plattform gefunden haben. Ihnen geht es nicht um das Assoziationsabkommen.

Das Referendum als Abstimmung über die EU

"Ukraine interessiert uns nicht", gibt Arjan van Dixhoorn, einer der Initiatoren, unumwunden zu. Ziel sei, die EU zu zerstören oder zumindest einen Austritt zu erreichen - einen Nexit. Ein Referendum über diese Frage, wie es Großbritannien plant, ist schwer ins Werk zu setzen. "Deshalb greifen wir zu anderen Mitteln, um die Beziehungen zwischen den Niederlanden und der EU unter Strom zu setzen", sagte van Dixhoon in der vergangenen Woche  der Zeitung "nrc next".

Brüssel sei undemokratisch und weite seine Macht heimlich immer weiter aus, argumentieren die Kritiker. Das Abkommen sei der erste Schritt zu einem EU-Beitritt der Ukraine, den die Niederlande ablehnten. Zudem würde Europa stärker in den Konflikt mit Russland hineingezogen.

Das Assoziationsabkommen war einer der Auslöser für die Maidan-Proteste, die zum Sturz von Präsident Wiktor Janukowytsch 2014 führten, und letztendlich auch der Zündfunke für den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Spätestens seit im Sommer 2014 eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines (MH17) über der Ostukraine abgeschossen wurde und fast 200 Niederländer starben, sind die Beziehungen der Holländer zu Russland schlecht. Man geht davon aus, dass Moskau dahinter steckt.

Deshalb argumentieren die Befürworter des Abkommens, ein Nein wäre Verrat an der Demokratiebewegung und würde Russlands Präsident Wladimir Putin in die Hände spielen, der ein scharfer Gegner der ukrainisch-europäischen Annäherung ist. Sollten die Niederländer das Abkommen am Mittwoch blockieren, werde Putin "ohne Zweifel eine Flasche Champagner aufmachen", sagte Außenminister Bert Koenders Mitte März in einem Interview mit der Nachrichtenseite NU.nl .

Die Folgen eines niederländischen Neins sind unklar

Bert Lanting von der auflagenstarken liberalen Tageszeitung "De Volkskrant" polarisierte mit einem Artikel, in dem er argumentierte, eine Stimme gegen das Abkommen sei "eine Stimme für jene Leute, die aller Wahrscheinlichkeit nach Flug MH17 abgeschossen haben".

Die Gegner des Referendums liegen in Umfragen mit 57 bis 62 Prozent deutlich vorn . Welche Folgen ein niederländisches Nein tatsächlich für das Verhältnis der EU zur Ukraine hätte, ist jedoch unklar. Für die Regierung, die hinter dem Assoziationsabkommen steht, wäre es aber eine schwere politische Niederlage: Die Niederlande haben zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und können eine solche Peinlichkeit nicht gebrauchen.

Weil das Referendum rechtlich nicht bindend ist, könnte die Regierung das Ergebnis einfach ignorieren. Damit aber würde sie riskieren, die anti-europäische Stimmung und die Politikverdrossenheit noch zu befeuern. In Den Haag hofft man deshalb wohl insgeheim, dass am Mittwoch weniger als 30 Prozent der Wähler abstimmen - dann wäre das Referendum ungültig.