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Jan Puhl

Freispruch für Vojislav Seselj Das Desaster von Den Haag

Der serbische Nationalist Vojislav Seselj wurde vom Uno- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag freigesprochen. In dem Prozess hat die Anklage versagt - und die Idee der internationalen Gerechtigkeit beschädigt.
Vojislav Seselj

Vojislav Seselj

Foto: MARKO DJURICA/ REUTERS

"Er ist ein freier Mann", mit diesen Worten des Vorsitzenden Richters ging am Donnerstag vor dem Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag der Prozess gegen Vojislav Seselj zu Ende. Der Satz ist ein Schlag ins Gesicht für viele Tausend Bosnier und Kroaten - für alle, deren Männer und Väter von Seseljs Gefolgsleuten ermordet, für alle Frauen, die von seiner Soldateska vergewaltigt wurden, für alle, deren Häuser seine Tschetniks niedergebrannt haben und für alle, die ihre Heimat verlassen mussten.

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Vojislav Seselj: Freispruch für den Anstachler

Foto: Andrej Cukic/ AP

Seselj war einer der schlimmsten Kriegstreiber im Jugoslawien-Konflikt der Neunzigerjahre - quasi der Chefideologe von Völkermord und ethnischen Säuberungen im Namen Großserbiens.

Der Freispruch wird seiner Sicht des Jugoslawienkrieges Vorschub leisten. Demnach sind die Serben - wie immer schon in der Geschichte - unschuldige Opfer fremder Mächte gewesen. Das Urteil von Den Haag wird Seselijs Partei bei der Parlamentswahl Ende April zu einem kräftigen Stimmgewinn verhelfen.

Mit dem Urteil ist das Gericht einer Rechtsdoktrin gefolgt, die für Schuldsprüche von Kriegsverbrechern besonders präzise Beweise verlangt. Gerade weil die ganze Welt zusieht, müssen höchste Rechtsstandards gelten - das ist die Idee dahinter. Nur wenn die Verfahren über jeden Zweifel erhaben sind, nicht den leisesten politischen Beigeschmack von Siegerjustiz haben, lässt sich das Prinzip der Weltgerechtigkeit vertreten.

Bis heute stolz auf seine Rolle im Krieg

Die Anklage hätte detailliert Befehlsketten und Verantwortlichkeiten nachweisen müssen, von Seselj bis hinab zu dem Mann mit der Waffe in der Hand. Dass ihr das in dreizehn Prozessjahren nicht gelungen ist, ist skandalös.

Schon zu Beginn im Jahre 2003 galt die Anklageschrift als schlampig vorbereitet, sie wurde mehrfach überarbeitet. Immer wieder musste eine Berufungskammer in das Verfahren eingreifen und Fehler korrigieren.

Seselj ist bis heute stolz auf seine Rolle im Krieg. Er vertritt noch immer die gleiche menschenverachtende Ideologie, die damals zu Mord und Totschlag geführt hat. Häufig begann das Gemetzel - wie zum Beispiel am 6. Mai 1992 in Hrtkovci - unmittelbar nachdem Seselj irgendwo eine seiner Hassreden gegen Kroaten oder Bosniaken gehalten hatte. Die Mörder nannten sich selber "Seseljevci", sie wurden vom serbisch dominierten Militär ausgerüstet und trainiert.

Bereits 2003 hatte sich Seselj dem Haager Tribunal gestellt und seine Auftritte vor dem Gericht sichtlich genossen. Er benutzte die Kammer als Propagandabühne. Dass er die Urteilsverkündung zu Hause feiern konnte, verdankt er der Milde jener Richter, die er eben noch verhöhnt hatte. Sie ließen ihn vor zwei Jahren ausreisen - aus humanitären Gründen, weil bei dem Serben Krebs attestiert worden war.

Vojislav Seselj wird deshalb in seinem Bett sterben und nicht in einer niederländischen Gefängniszelle.